Israels Verteidigungsminister muss gehen Entlassung im "dichten Kriegsnebel"
Er hatte zuletzt auf eine diplomatische Lösung gedrängt. Nun muss Israels Verteidigungsminister Gallant mitten im Mehrfrontenkrieg gehen. Sein Nachfolger wurde bereits ernannt.
Es war ein Vier-Augen-Gespräch, das nur drei Minuten gedauert haben soll, schreiben die israelischen Medien. Danach hatte Israels Premier Benjamin Netanyahu seinen Verteidigungsminister entlassen. Yoav Gallant muss seinen Hut nehmen - mitten im Mehrfrontenkrieg - in Erwartung einer iranischen Attacke.
Das hat es so in Israel noch nie gegeben. Es habe das Vertrauen gefehlt zwischen dem Premier und seinem Verteidigungsminister, erklärte Netanyahu in einer kurzen Videobotschaft: "Der Vertrauensbruch zwischen mir und dem Verteidigungsminister ist öffentlich geworden", so der Premier. "Dieser Bruch verhindert, dass der Krieg richtig geführt werden kann. Das sage nicht nur ich; die meisten Minister und Kabinettsmitglieder, fast alle, sind der Meinung, dass wir so nicht weitermachen können."
Vor diesem Hintergrund habe er entschieden, die Amtszeit des Verteidigungsministers zu beenden. Er habe versucht, Gallant Brücken zu bauen, fügte Netanyahu noch hinzu. Doch das Ganze sei aus dem Ruder gelaufen und habe am Ende Israels Feinden in die Hände gespielt.
Nicht unerwartet
Die Entlassung Gallants kommt nicht unerwartet. Bereits unmittelbar vor der Attacke, bei der im Libanon massenhaft Pager und Walkie-Talkies bei Hisbollah-Mitgliedern explodierten, war Gallants Entlassung eigentlich schon beschlossene Sache. Die Eskalation mit der Hisbollah sorgte noch einmal für einen Aufschub.
Verteidigungsminister Gallant hatte sich zuletzt kritisch über die politischen Entscheidungen zur Kriegsführung geäußert und darauf gedrängt, eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges zu finden. Im Gazastreifen aber auch im Libanon. Netanyahu hatte dies abgelehnt. Gallant erklärte dagegen, es sei möglich die Geiseln nach Hause zu holen, wenn der Staat Kompromisse eingehe.
"Halte ich mich an den Kompass"
"Bürger Israels, ich werde meinen Grundsätzen treu bleiben", sagte er nun. "Bei Dunkelheit und Nebel muss mit dem Kompass navigiert werden. In unserer Situation, in der der Kriegsnebel dicht ist, in der uns moralische Dunkelheit umgibt, halte ich mich an den Kompass. Meine Hoffnung ist es, dass auch die Repräsentanten des Volkes diesen Weg wählen werden."
Nachfolger Gallants wird Außenminister Israel Katz, der schon viele Kabinettsposten innehatte und seit Jahren eng mit Netanyahu zusammenarbeitet. "Israel Katz bringt eine beeindruckende Vielfalt an reichhaltiger Erfahrung und Führungsqualitäten mit", sagte Netanyahu. "Er ist als Bulldozer bekannt, der Verantwortung und Entschlossenheit vereint, ruhige Entschlossenheit, und all dies ist für die Verwaltung des Systems sehr wichtig." Katz verlor keine Zeit, kündigte gleich an, die Rückkehr der Geiseln sei die wichtigste ethische Mission für ihn.
Botschaft an den Premier
Oppositionschef Jair Lapid nannte die Entlassung Gallants mitten im Krieg einen Akt des Wahnsinns. Netanyahu verkaufe die Sicherheit Israels für ein schändliches politisches Überleben.
Lapids Aufruf an die Bürger, aus Protest gegen Netanyahu auf die Straßen zu gehen, kamen am Abend in Tel Aviv Tausende nach. Darunter auch Einav Zangauker, deren Sohn Matan noch in der Hand der Hamas ist. "Ich habe eine klare Botschaft an den Premierminister", sagt er. "Wenn es möglich ist, in Kriegszeiten den Verteidigungsminister auszuwechseln, dann ist es auch möglich, den Premierminister auszuwechseln." Er verhindere, dass die Geiseln gerettet würden. "Er hat sie aufgegeben und überlässt sie in den Tunneln der Hamas ihrem Tod nur um selbst politisch zu überleben."