Differenzen über Kriegsführung Israels Premier Netanyahu entlässt Verteidigungsminister
Israels Premier Netanyahu und Verteidigungsminister Gallant waren im Laufe des Nahost-Krieges immer wieder aneinandergeraten. Nun gab Netanyahu die Entlassung Gallants bekannt. Neuer Verteidigungsminister soll Außenminister Katz werden.
Inmitten des Krieges im Gazastreifen und der anhaltenden Kämpfe mit der Hisbollah-Miliz im Libanon hat der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant entlassen. Als Grund für Gallants Entlassung gab Netanyahu an, dass sein Vertrauen in den bisherigen Verteidigungsminister "erodiert" sei.
Gallant habe Entscheidungen getroffen und Erklärungen abgegeben, die den Entscheidungen des Kabinetts widersprochen hätten, schrieb Netanyahu in einer Mitteilung seines Büros. "Obwohl in den ersten Monaten des Krieges Vertrauen herrschte und die Arbeit sehr fruchtbar war, ist dieses Vertrauen zwischen mir und dem Verteidigungsminister in den vergangenen Monaten leider zerbrochen."
Der Regierungschef und sein Verteidigungsminister waren im Kriegsverlauf immer wieder aneinandergeraten. Gallant hatte Netanyahu wegen dessen Kriegsführung gegen die Hamas kritisiert und auf einen Geiseldeal gedrängt. Kurz nach seiner Entlassung schrieb Gallant im Kurznachrichtendienst X: "Die Sicherheit des Staates Israel war und bleibt die Mission meines Lebens."
Differenzen über Strategie im Gazastreifen
Im März 2023, also ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn, wollte Netanyahu Gallant schon einmal entlassen. Damals ging es um die umstrittene Justizreform der Regierung. Nach Protesten ruderte Netanyahu damals aber wieder zurück.
Im September hatten israelische Medien erneut über eine mögliche Ablösung Gallants berichtet. Netanyahu und Gallant hatten den Berichten zufolge unterschiedliche Auffassungen über das Wehrpflichtgesetz, bei dem es um die Rekrutierung Ultraorthodoxer geht, und beim Thema Philadelphi-Korridor.
Gallant habe dafür geworben, israelische Truppen aus diesem Korridor - einem Grenzstreifen von Gaza nach Ägypten - zurückziehen, um so möglicherweise von der Hamas verschleppte Geiseln freizubekommen. Netanyahu lehnte dies ab und Hardliner in seinem Kabinett forderten die Entlassung des Verteidigungsministers.
Spontane Proteste gegen Entlassung Gallants
Die erneute Entlassung Gallants löste in Israel wieder einen Sturm der Entrüstung aus. In der Mittelmeermetropole Tel Aviv und anderswo gingen spontan Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die Entlassung und gegen Netanyahu zu demonstrieren. In Tel Aviv blockierten sie die wichtige Stadtautobahn Ajalon mit brennenden Autoreifen und skandierten "Bibi ist ein Verräter", "Bibi ins Gefängnis" und "kriminelle Regierung", wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur dpa berichtete.
Einige der Demonstranten berichteten von ihrer Sorge, dass Netanyahu weitere wichtige Leute aus dem Sicherheitsapparat wie etwa Generalstabschef Herzi Halevi oder den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, feuern könnte. Netanyahus Büro dementierte jedoch entsprechende Spekulationen der Medien. Andere Teilnehmer vermuteten, dass Netanyahu mit der Entlassung Gallants von dem Skandal um Geheiminformationen ablenken wolle, die von Mitarbeitern im Umfeld seines Büros an die Presse durchgestochen worden waren.
Neue Verteidigungs- und Außenminister
Der rechtsextreme Polizeiminister Ben Gvir begrüßte die Entlassung des Verteidigungsministers. Mit Gallant sei der Sieg im Krieg unmöglich. Mitglieder der Opposition kritisierten die Entscheidung hingegen. Oppositionspolitiker Benny Gantz, der Mitglied von Netanyahus inzwischen aufgelöstem Kriegskabinett war, sprach von "Politik auf Kosten der nationalen Sicherheit".
Netanyahu ernannte den derzeitigen Außenminister Israel Katz zu Gallants Nachfolger. Katz versprach in seiner ersten Stellungnahme, der Rückkehr der israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen und der "Vernichtung" von Hamas und Hisbollah Priorität einzuräumen.
"Wir werden zusammenarbeiten, um das Sicherheitssystem zum Sieg über unsere Feinde zu führen und die Ziele des Krieges zu erreichen: die Rückkehr aller Entführten als wichtigste Aufgabe, die Zerstörung der Hamas im Gazastreifen, die Niederlage der Hisbollah im Libanon, die Eindämmung der iranischen Aggression und die Rückkehr der Bewohner des Nordens und des Südens in ihre Häuser“, schrieb Katz auf der Plattform X.
Im Außenministerium folgt Gideon Saar auf Katz. Saar war bis vor vier Jahren in Netanyahus Likud-Partei, gründete dann aber eine neue Partei und galt als scharfer Kritiker des Premierministers. Im September gab er seine Oppositionsrolle auf und schloss sich der Regierung an. Saar steht politisch noch weiter rechts als Netanyahu und setzt sich für einen schärferen Kurs gegenüber der Hamas ein.