Angekündigter Angriff Israels UN-Gericht soll Militäroffensive auf Rafah stoppen
Der angekündigte israelische Angriff auf das mit Flüchtlingen überfüllte Rafah im Gazastreifen löst international Sorge aus. Südafrika sieht die Menschenrechte in Gefahr - und hat erneut das höchste UN-Gericht angerufen.
Südafrika hat einen Eilantrag beim Internationalen Gerichtshof (IGH) gestellt, um zu prüfen, ob eine Ausweitung israelischer Militäroperationen auf Rafah im Süden des Gazastreifens rechtmäßig ist. Rafah sei der letzte Zufluchtsort für Menschen in Gaza, erklärte die südafrikanische Präsidentschaft.
Das Gericht solle sicherstellen, dass bei der angekündigten Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas die Rechte palästinensischer Zivilisten nicht verletzt würden.
Südafrika sei zutiefst besorgt darüber, dass die Ausweitung der Militäroffensive in Rafah zu "großangelegten Tötungen, Schäden und Zerstörung" führen werde. "Das wäre ein schwerwiegender und irreparabler Verstoß sowohl gegen die Völkermordkonvention als auch gegen den Beschluss des Gerichtshofs vom 26. Januar", so die Präsidentschaft.
Der IGH hatte am 26. Januar die Gefahr von Völkermord im Gazastreifen festgestellt und Israel verpflichtet, alles zu tun, um das zu verhindern. Südafrika hatte im Dezember Klage gegen Israel eingereicht und dem Land die Verletzung der Völkermord-Konvention vorgeworfen.
Warnung von UN-Generalsekretär Guterres
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte, ein Angriff auf Rafah werde verheerende Konsequenzen haben. Er hoffe, dass die Verhandlungen über eine Feuerpause erfolgreich sein werden. Denn dann könne eine Offensive auf die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt an der Grenze zu Ägypten vermieden werden.
Hoffnungen auf eine Waffenruhe hatte zuletzt US-Präsident Joe Biden geschürt. Er setze sich für eine zunächst sechswöchige Feuerpause im Gazastreifen ein, hatte Biden nach einem Gespräch mit dem jordanischen König Abdullah in Washington gesagt. Die USA arbeiteten mit Verbündeten in der Region an einer Vereinbarung zur Unterbrechung der Kämpfe. Das solle die Befreiung der Geiseln im Gazastreifen und die Ausweitung der humanitären Hilfe ermöglichen. In der Kampfpause könne man sich dann die Zeit nehmen, "etwas Dauerhafteres aufzubauen".
"Es gibt nicht einen einzigen sicheren Ort"
Ob diese Feuerpause allerdings tatsächlich noch vor der angekündigten Offensive Israels auf Rafah kommt, ist ungewiss. "Sollte der Sturmangriff erfolgen, stellt sich die Frage, wo die Zivilisten hingehen sollen", sagte der Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, in Genf. Es gebe nicht einen einzigen sicheren Ort mehr im Grenzgebiet des Gazastreifens mit Ägypten. Die Zahl der Verletzten und Getöteten könnte erheblich steigen.
Weit mehr als eine Million Palästinenserinnen und Palästinenser sind den Vereinten Nationen zufolge aus anderen Teilen des Gazastreifens vor der israelischen Armee nach Rafah im Süden geflohen. Es sei unmöglich, dass diese Menschen die überfüllte Gegend verlassen, damit die israelischen Sicherheitskräfte ihre Suche nach militanten Hamas-Kämpfern fortsetzen könnten, betonte Lazzarini. Jedes freie Stück Land in dem Gebiet sei von Hunderttausenden Flüchtlingen besetzt, die in behelfsmäßigen Unterständen aus Plastikplanen hausten.
Baerbock: "Recht auf Selbstverteidigung, aber kein Recht auf Vertreibung"
Ähnlich besorgt äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Hunderttausende Menschen hätten in Rafah auf Anweisung Israels Schutz gesucht und müssten diesen auch weiterhin dort finden, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem palästinensischen Amtskollegen, Außenminister Riad al-Malki, in Berlin. Zwar gelte Israels Recht auf Selbstverteidigung, aber "es beinhaltet keine Vertreibung". Wenn Israel das "unglaubliche Nest der Terrororganisation Hamas" in Rafah bekämpfen wolle, müsse es sichere Korridore für die unschuldige Zivilbevölkerung geben.
Morgen will die Außenministerin erneut nach Israel reisen. Dort sind Gespräche mit Außenminister Israel Katz, Premierminister Benjamin Netanyahu und Oppositionsführer Jair Lapid vorgesehen