Kontrolle des Philadelphi-Korridors "Der Kampf um Gaza hat erst begonnen"
Nachdem Israels Armee einen wichtigen Versorgungskorridor der Hamas eingenommen hat, spricht ein Offizier von einem Wendepunkt in dem Krieg. Die Kämpfe dürften aber nun noch einmal intensiver werden.
Die Anordnung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag ist klar: Israel muss seine Militäroffensive in Rafah unverzüglich einstellen. Die militärische Realität spricht eine andere Sprache. Israels Armee dringt immer weiter vor. Und sie hat nach den Worten von Militärsprecher Daniel Hagari einen strategisch wichtigen Erfolg errungen.
"In den letzten Tagen erlangten die israelischen Streitkräfte die taktische Kontrolle über den Philadelphi-Korridor an der Grenze zwischen Ägypten und Rafah." Dieser Korridor war laut Hagari für die Hamas eine Art Lebensader, über die sie regelmäßig Waffen nach Gaza schmuggelte.
Aus Sicht Israels ist der Erfolg nicht hoch genug zu bewerten. Entlang der etwa 14 Kilometer langen Pufferzone zwischen Ägypten und dem Gazastreifen liegen zahlreiche Tunnelanlagen, über die auch Waffen in den Gazastreifen geschmuggelt werden konnten. Das dürfte ein Grund sein, dass die Hamas militärisch so aufrüsten konnte.
Tunnelanlagen analysiert
Es sind Dutzende Tunnel, die entlang des Philadelphi-Korridors von Gaza nach Ägypten, vor allem in den Sinai reichen. Mika Fried hat sie erst vor wenigen Tagen gesehen. Er ist Chef der israelischen Firma Geoscope, die im Auftrag der israelischen Armee seit Kriegsbeginn die Tunnelanlagen in Gaza analysiert und bewertet.
In den Tunnelschächten
Erst vor wenigen Tagen stand er in Rafah an den Tunnelschächten, verrät er im ARD-Interview: "Wir haben mindestens 50 Tunnel gefunden, die von Rafah nach Ägypten gehen." Er schildert weiter, dass man auf der anderen Seite der Grenze in Ägypten mit einem US-Unternehmen zusammen arbeite, weil sie als Israelis dort nicht hindürften. "Unsere Aufgabe ist es, die Tunnel zu bewerten. Wie tief sie sind, welche Ausmaße sie haben. Das versuchen wir bestmöglich zu tun."
Mehrere Tunnelsysteme übereinander
Details zu den Tunnels darf er nicht verraten. Doch es seien sehr viele, sagt er. In verschiedenen Tiefen. Zum Teil vier oder sogar fünf Tunnelsysteme übereinander.
Die Tatsache, dass das israelische Militär die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor erlangt hat, sieht Jacques Neriah, ein langjähriger hoher Offizier beim israelischen Militärgeheimdienst AMAN als Wendepunkt in dem Krieg.
"Ich möchte es klar sagen: Die Tatsache, dass wir den Philadelphi-Korridor nun kontrollieren, bedeutet, dass der eigentliche Kampf um Gaza erst heute begonnen hat." Für Neiah sei aber auch klar, je weiter Israel in Rafah militärisch vordringe, desto geringer werde eine Vereinbarung zu den Geiseln.
Kämpfe dürften wohl noch zunehmen
Der Kampf um Rafah dürfte nun intensiver werden. Am eigenen Leib spüren mussten es gestern 33 Kinder aus dem SOS Kinderdorf in Rafah. Sie mussten aus dem Kinderdorf, das aus Deutschland verwaltet wird, nach mehreren Bombeneinschlägen ganz in der Nähe des Geländes, evakuiert werden. Boris Breyer, der Pressesprecher von SOS-Kinderdörfer weltweit, ist bestürzt: "Wir sind schockiert, wir sind traurig und fassungslos, dass nicht einmal ein Ort, der explizit als humanitäres Zentrum ausgewiesen ist, vor den Gefechten geschützt ist."
Eine große Gruppe Kinder inmitten des Kriegs an einen anderen Ort zu bringen sei hochriskant, menschenunwürdig und für die Kinder ein furchtbares Erlebnis, so Breyer.
Die Kinder samt Betreuer und Familien sind nun nach Zentral-Gaza gebracht worden, wo sie zunächst sicher sind vor weiteren Bombardements. Man kann es nur hoffen.