Angehörige von den von der Hamas verschleppten Geiseln protestieren in Tel Aviv.

Verhandlungen in Nahost Letzte Chance für die Geiseln?

Stand: 14.08.2024 04:26 Uhr

Während sich Israel für einen drohenden Vergeltungsschlag des Iran wappnet, hat die Hamas noch immer über 100 Geiseln in ihrer Hand. Die Angehörigen machen Druck - und hoffen auf Ergebnisse bei möglichen neuen Verhandlungen.

Von Tim Aßmann, ARD Berlin

Es war eine Meldung, die Sorgen machte und das wohl auch sollte. Einer ihrer Kämpfer habe einen verschleppten Israeli erschossen, den er bewachen sollte, teilte die Hamas mit. Außerdem habe ein weiterer Wächter zwei weibliche Geiseln angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Nähere Angaben machte die Terrororganisation nicht.

Israels Armee betonte, sie habe keine eigenen Informationen dazu und werde die Glaubwürdigkeit der Erklärung prüfen. Eine Geisel tot, zwei in Lebensgefahr - mit dieser Botschaft wolle Hamas den Druck auf die israelische Regierung erhöhen, sagte Suleiman Maswadeh im israelischen Radiosender KAN, für den er als politischer Korrespondent arbeitet. 

"Man hätte auch eine andere Formulierung wählen können. In der Vergangenheit wurde zum Beispiel erklärt, Geiseln seien bei Luftangriffen oder Kämpfen am Boden getötet worden. Doch nun entscheidet sich der Sprecher des militärischen Arms der Hamas für diese sehr brutale Version. Die Frage nach dem Warum führt uns zu den Gesprächen, die am Donnerstag stattfinden sollen", so Maswadeh.

 

Kurz vor erneuter Verhandlungsrunde

Für diesen Tag ist im katarischen Doha eine neue indirekte Verhandlungsrunde zwischen Israel und der Hamas geplant. Das Ziel: Ein Abkommen über eine Feuerpause und die Freilassung der Geiseln. In dieser Situation kommt nun die Nachricht von dem erschossenen Entführten und von den zwei verletzten Geiseln. Um wen es sich handelt, teilte die Hamas nicht mit.

Niva Wenkerts Sohn Omer ist noch in der Hand der Terroristen. Seine Mutter erklärte im Radiosender KAN: "Wir befinden uns in einem brutalen Krieg. Seit dem Terror vom 7.Oktober haben wir uns an Brutalität gewöhnt, die nicht aufhört. Nach solchen Meldungen bleibt keine Luft zum Atmen. Es ist eine verrückte Situation." 

Angehörige wollen Taten sehen

111 Geiseln sollen sich noch im Gazastreifen befinden. Nach Einschätzung der israelischen Armee könnten rund 40 von Ihnen bereits tot sein. Der schnelle Abschluss eines Abkommens über einen Waffenstillstand sei vielleicht die letzte Chance, noch viele Verschleppte lebend freizubekommen, zitieren israelische Medien einen nicht genannten Regierungsvertreter.

Meirav Leshem Gonen, deren Tochter Romi zu den Entführten gehört, setzt große Hoffnungen in mögliche Verhandlungen. Und sie hat Erwartungen an die eigene Regierung: "Ich bin eine optimistische Person. So lebe ich mein Leben. Ich erwarte nun Handlungen. Gespräche sind wundervoll aber Handlungen sagen mehr aus - auch über die handelnden Personen." 

 

Netanyahu weiter unter Druck

Die oberste handelnde Personen auf israelischer Seite ist Benjamin Netanyahu. Israels Premierminister wird im eigenen Land vorgeworfen, den Fortschritt der Verhandlungen durch zusätzliche Bedingungen behindert zu haben. Er selbst bestreitet das. Netanyahu ist in einer politisch schwierigen Lage. Die Geisel-Angehörigen, weite Teile der israelischen Öffentlichkeit und Israels wichtigster Verbündeter, die USA, drängen auf ein Abkommen.

Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner sind gegen eine Vereinbarung mit der Hamas und drohen mit dem Ausstieg aus der Regierung. Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, macht Druck auf den Regierungschef: "Wir müssen diesen Krieg gewinnen und nicht zu irgendwelchen Gesprächen nach Doha oder Kairo gehen. Wir müssen sie in die Knie zwingen. Das ist die Botschaft. Wir können Hamas schlagen. Wir können sie in die Knie zwingen." 

Die Ausgangslage der israelischen Regierung vor einer möglichen neuen Verhandlungsrunde ist also keine einfache. Die Hamas hat bisher noch nicht entschieden, ob sie an den Gesprächen teilnimmt.