Israel und die Hamas Wer bislang freigelassen wurde
Mit der verlängerten Waffenruhe wächst die Hoffnung, dass weitere Geiseln freikommen. Wie viele Menschen sind noch in der Gewalt der militant-islamistischen Hamas? Und inwiefern profitiert die Terrorgruppe von der Feuerpause?
Was ist über die zuletzt freigelassenen israelischen Geiseln bekannt?
Es handelt sich um elf Menschen, die am Montagabend freigelassen wurden. Die zunächst von Katar bestätigte Freilassung sechs zusätzlicher thailändischer Geiseln sei am Ende nicht eingetreten. Nach Einschätzung unseres ARD-Korrespondenten in Tel Aviv zeigt das, wie fragil die Lage ist, wie kurzfristig jeweils verhandelt wird.
Auch die Namen der elf israelischen Geiseln standen erst ganz kurzfristig fest. Die Namen zweier älterer Frauen auf der Liste seien kurz vor der Freilassung beispielsweise durch die Namen zweier Mütter ersetzt worden, berichtet ARD-Korrespondent Julio Segador. Unter den neun Kindern und Jugendlichen, die am Montag freikamen, sind auch zwei, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben.
Neben den beiden Deutschen waren auch drei französische Kinder im Alter von 12 und 16 Jahren unter den Freigelassenen, wie das Außenministerium in Paris mitteilte.
Am Morgen erhielt Israel örtlichen Medien zufolge eine Liste mit den Namen der zehn Geiseln, die als nächstes freigelassen werden sollen: Ihre Namen gab die israelische Seite jedoch noch nicht bekannt.
Wie viele Geiseln befinden sich noch in den Händen der Hamas-Terroristen?
Nach Angaben von Eilon Levi, Sprecher der israelischen Regierung werden noch 184 Geiseln im Gazastreifen festgehalten. Davon seien 14 Ausländer sowie 80 Israelis mit einem Zweitpass.
Bislang freigelassen wurden 69 Geiseln. ARD-Korrespondent Segador zufolge weiß aber die Terrororganisation selbst nicht ganz genau, wie viele Geiseln insgesamt im Gazastreifen verschleppt wurden. Das hänge damit zusammen, dass es mehrere militante radikale Gruppen gibt, die Geiseln genommen hätten, etwa der Islamische Dschihad.
Fest steht: Die jüngste der Geiseln, ein zehn Monate altes Baby, ist bisher nicht freigekommen. Der Junge war mit seinen Eltern und seinem vierjährigen Bruder entführt worden.
Welche Gefangenen werden aus israelischen Gefängnissen im Gegenzug freigelassen?
Israel entließ weitere 33 palästinensische Gefangene aus der Haft. Die Gefangenen seien "im Laufe der Nacht" freigelassen worden, erklärte die israelische Strafvollzugsbehörde.
Dabei handelte es sich um Frauen und Jugendliche. Der jüngste Teenager war den Angaben zufolge 14 Jahre alt. Damit wurden seit Beginn der Waffenruhe bisher insgesamt 150 palästinensische Häftlinge freigelassen. Die bislang Freigekommenen waren unter anderem wegen Messerattacken auf Israelis, Brandstiftung sowie Attacken mit Brandbomben oder Steinen verurteilt worden.
Bei der Ankunft freigelassener palästinensischer Gefangener in Beitunia im Westjordanland soll es nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA zu Zusammenstößen mit israelischen Soldaten gekommen sein. Dabei soll ein Palästinenser erschossen worden sein.
Was bedeutet die Feuerpause für die humanitäre Lage im Gazastreifen?
Humanitäre Organisationen haben während der Feuerpause im Gazastreifen tonnenweise Hilfsgüter in den Norden des Gazastreifens gebracht. Darunter waren Fertiggerichte, Trinkwasser, Zelte und Decken sowie Medikamente, wie das UN-Nothilfebüro OCHA berichtete.
Geliefert worden sei auch Treibstoff zur Stromproduktion und Material für Entsalzungsanlagen, Wasserpumpwerke und eine Abwasserkläranlage. Das teils schwer beschädigte Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt habe mit neuem Treibstoff seine Dialyse-Station für nierenkranke Patienten wieder öffnen können.
Trotz der israelischen Aufrufe, den Norden des Gazastreifens zu räumen, halten sich dort nach Schätzungen noch Hunderttausende Menschen auf.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Not deutlich größer als das Gesundheitspersonal bewältigen kann. In Auffanglagern seien Babys mit Durchfall, für die es keine Medikamente gebe. Sie drohten zu sterben. Chronisch Kranke bekämen ihre Medikamente nicht mehr, etwa für Herz- oder andere Krankheiten.
Wie wirkt sich die Waffenpause auf die Reorganisation der Hamas aus?
Es wird sich kaum verhindern lassen, dass die Hamas die Feuerpause zu einer Neuaufstellung nutzt. ARD-Korrespondent Segador gibt zu bedenken, dass in dem aktuellen Abkommen auch vereinbart ist, dass die Drohnenüberwachung des Gazastreifens für sechs Stunden am Tag ausgesetzt wird.
Diese Zeit nutze die Terrororganisation, um sich neu aufzustellen und um sich auf eine Fortsetzung der Kämpfe vorzubereiten.
Wie geht es nach der vorläufigen Feuerpause weiter?
Israel und die Terrororganisation Hamas haben die Bereitschaft für eine Ausweitung des Waffenruhe-Abkommens signalisiert, um mehr Geiseln und Gefangene auszutauschen.
Hamas-Vertreter Chalil al-Hadscha sagte im Fernsehsender Al Dschasira, die radikal-islamische Palästinensergruppe strebe eine neue Vereinbarung an, "um den Austausch von Menschen in dieser Phase fortzusetzen". Dann sollten nicht nur Frauen und Kinder freilassen werden.
Zugleich erweiterte Israel die Liste mit palästinensischen Häftlingen, die für eine Freilassung infrage kommen, um 50 weibliche Gefangene, was ebenfalls auf die Möglichkeit einer Ausweitung des Abkommens hindeutet.
Israels Premierminister Netanyahu betont immer wieder die Kriegsziele - dass die Geiseln befreit werden, die Hamas vernichtet wird und vom Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel ausgeht. Sobald die Waffenruhe vorbei ist, werde der Krieg fortgesetzt.
Für weitere Gespräche über die Geiseln will US-Außenminister Antony Blinken erneut Israel und das Westjordanland besuchen. Er werde unter anderem auch das Selbstverteidigungsrecht Israels thematisieren und über den Schutz von Zivilisten während des israelischen Einsatzes im Gazastreifen diskutieren, teilte ein Sprecher seines Ministeriums mit.