Raketeneinschlag auf Golanhöhen Israel greift Hisbollah-Ziele im Libanon an
Zwölf Menschen wurden durch ein Geschoss iranischer Bauart auf den Golanhöhen getötet. Israel macht die Hisbollah verantwortlich und greift noch in der Nacht Ziele im Libanon an. UN-Vertreter warnen vor einer Eskalation.
Nur Stunden nachdem zwölf Kinder und Jugendliche bei einem Raketenangriff auf die israelisch besetzten Golanhöhen getötet wurden, reagiert Israel mit Vergeltungsschlägen auf Ziele der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah.
In der Nacht griff das Militär nach eigenen Angaben eine Reihe von Terrorzielen der Miliz im Libanon an. Darunter sollen sich auch Waffenlager sowie terroristische Infrastruktur befunden haben, teilte das israelische Militär bei Telegram mit.
Dazu veröffentlichte es Videoaufnahmen, die die Angriffe zeigen sollen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig prüfen. Welche Orte angegriffen wurden, hat die Armee bislang nicht bekannt gegeben.
Israels Armee veröffentlichte ein Video mit Luftaufnahmen, das eines der Ziele im Libanon zeigen soll.
Angriffe nahe Küstenstadt Tyros
Die libanesische Staatsagentur NNA berichtete, dass israelische Kampfflugzeuge unter anderem nahe der Küstenstadt Tyros im Süden des Landes angegriffen und schwere Schäden verursacht hätten. Eine israelische Drohne habe zudem zwei Raketen auf ein Haus abgefeuert in einem Dorf nahe Baalbek.
Israels Armee griff weit im Landesinneren an. Eines der Ziele lag im Dorf Taraja, das sich etwa 90 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt befindet. Die Entfernung von Israels Grenze zur libanesischen Hauptstadt Beirut beträgt etwa 70 Kilometer.
Die Vergeltungsschläge trafen die Hisbollah offenbar nicht unvorbereitet. Vor der israelischen Militäroperation sagte ein Hisbollah-Mitglied der Nachrichtenagentur dpa: "Wir sind seit Monaten in Bereitschaft und halten Ausschau nach jeglichem Angriff des Feindes."
Libanesische Medien berichteten, die Miliz habe in Erwartung eines möglichen israelischen Angriffs etwa 100 ihrer Posten in Vororten südlich der Hauptstadt Beirut geräumt. In diesen Gegenden ist die Hisbollah besonders aktiv.
An der Trauerfeier für die Getöteten nahmen Tausende Menschen teil.
Israel: Hisbollah hat "alle roten Linien überschritten"
In Israel ist das Entsetzen über den Angriff am Samstagabend in der Ortschaft Madschd al-Schams auf den Golanhöhen groß. Eine Rakete war auf einem Fußballplatz eingeschlagen - zwölf Menschen wurden getötet. Bei den Opfern handelt es sich um Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 20 Jahren, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Demnach wurden auch mehrere Menschen verletzt.
Der Fußballplatz gehört zu einem Dorf mit Einwohnerinnen und Einwohnern drusischen Glaubens. Die arabischsprachige Religionsgemeinschaft ging im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervor und siedelt heute vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien.
Für Israel steht die Verantwortung der Miliz hingegen außer Frage. "Das Massaker vom Samstag stellt die Überschreitung aller roten Linien durch die Hisbollah dar", erklärte das israelische Außenministerium.
Es handele sich bei der Hisbollah "nicht um eine Armee, die gegen eine andere Armee kämpft, sondern um eine Terrororganisation, die absichtlich auf Zivilisten schießt", hieß es in der Erklärung des Ministeriums weiter. Denkbar ist nach Experteneinschätzung allerdings auch, dass die Rakete ihr eigentliches militärisches Ziel verfehlte.
Hisbollah bestreitet Verantwortung für Angriff auf Golanhöhen
Es lägen hinreichende militärische und nachrichtendienstliche Erkenntnisse vor, dass die Rakete von der Hisbollah abgefeuert wurde, betonte Armeesprecher Hagari.
Zudem identifizierte er sie als eine Falak-1 aus iranischer Produktion. "Hier auf dem Fußballplatz ist eine Falak-1-Rakete eingeschlagen, eine iranische Rakete mit einem Gefechtskopf mit über 50 Kilogramm Sprengstoff", so Hagari. Die Falak-1 werde nur von der Terrorgruppe Hisbollah benutzt, die diesen Anschlag von Schebaa im Süden des Libanon aus verübt habe.
Die Hisbollah selbst bestreitet, für den Raketenangriff verantwortlich zu sein. Zwar habe sie Vergeltungsschläge für einen israelischen Luftangriff ausgeübt. Man sei aber nicht für den Raketeneinschlag auf dem Fußballplatz verantwortlich, sagte Mohammad Afif, ein hochrangiger Vertreter der Gruppe.
Israels Außenministerium: Letzte Chance für Diplomatie
Die Hisbollah sei der "Frontposten des Irans im Libanon", sagte der Sprecher des Außenministeriums, Oren Marmorstein. "Israel wird sein Recht und seine Pflicht zur Selbstverteidigung ausüben und auf das Massaker reagieren." Er rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, "dem Iran und seinen Terror-Ablegern, der Hisbollah, der Hamas und den Huthi, die volle Verantwortung zu geben".
Der israelische Sprecher sagte zudem, es gebe nur eine Möglichkeit, einen umfassenden Krieg zu verhindern, "der auch für den Libanon verheerend wäre". Die Hisbollah müsse gezwungen werden, sich gemäß einer UN-Resolution bis hinter den Litani-Fluss zurückzuziehen. Dieser liegt 30 Kilometer von der Grenze zwischen Israel und dem Libanon entfernt. "Jetzt ist es die allerletzte Minute, dies noch diplomatisch zu tun."
Iran warnt vor Konsequenzen israelischer Angriffe
Der Raketenangriff könnte der Auftakt für einen offenen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah sein. Eine solche Eskalation würde die Region weiter destabilisieren.
Auch das iranische Regime hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Es warnte Israel vor den "Konsequenzen" eines neuen militärischen "Abenteuers" im Libanon. Israel werde für "die unvorhergesehenen Konsequenzen und Reaktionen auf solch dummes Verhalten" verantwortlich sein, sagte Außenministeriumssprecher Nasser Kanani.
International wächst die Sorge. "Was heute geschehen ist, könnte der Auslöser werden von dem, was wir seit zehn Monaten befürchten und zu verhindern versuchen", zitierte der israelische Journalist Barak Ravid im US-Portal Axios einen US-Regierungsbeamten. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter. Amerikanische und französische Diplomaten bemühen sich seit Monaten um eine Entspannung des Konflikts zwischen Israel und der Schiiten-Miliz.
"Wir fordern die Parteien nachdrücklich auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und die anhaltenden heftigen Feuergefechte zu beenden", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung des Chefs der UN-Friedenstruppe im Libanon, Aroldo Lázaro, und der Sonderkoordinatorin für das Land, Jeanine Hennis-Plasschaert.
USA stehen "eisern" und "unerschütterlich" zu Israel
Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA verurteilte den Raketenangriff und versicherte in einer Mitteilung: "Unsere Unterstützung für Israels Sicherheit gegen alle vom Iran unterstützten Terrorgruppen, einschließlich der libanesischen Hisbollah, ist eisern und unerschütterlich."
Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sprach auf X von einem "schmerzhaften Abend" und forderte: "Diese mörderischen Angriffe müssen aufhören." Außenministerin Annalena Baerbock sprach den Familien der Opfer ihr Mitgefühl aus. Sie rief dazu auf, jetzt "mit kühlem Verstand zu agieren."
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich über den Angriff schockiert. "Wir rufen alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung und zur Vermeidung jeglicher weiterer Eskalation auf", teilte er auf X mit. "Wir brauchen eine unabhängige internationale Untersuchung dieses inakzeptablen Vorfalls."