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Hisbollah, Huthi und Hamas Wie groß ist der Einfluss des Iran in der Region?

Stand: 17.08.2024 13:43 Uhr

Seit Jahren baut der Iran seinen Einfluss im Nahen Osten aus - auf die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen. Wie groß ist der iranische Einfluss tatsächlich?

Von Paul Jens, ARD-Studio Istanbul

Nachdem der Hamas-Führer Ismail Hanija in Teheran ermordet wurde, sagt der Anführer der Huthi im Jemen, Abdul-Malik Badreddin al-Huthi: "Diese Eskalation umfasst alle Mitglieder der 'Achse des Widerstands'." Und die "Achse" werde definitiv eine Entscheidung treffen.

Der Huthi-Führer kündigte damit an, worauf eine ganze Region gebannt wartet: Einen großen Angriff des Iran und seiner Verbündeten auf Israel, das sie für den Tod des Hamas-Chefs verantwortlich machen.

USA und Israel als gemeinsames Feindbild

Die sogenannte Achse des Widerstands könnte Israel aus vielen Richtungen angreifen: Die Huthi im Jemen aus dem Süden, im Norden sitzt die libanesische Hisbollah, im westlich gelegenen Gazastreifen operiert die Hamas und der Iran im Osten. Diese vier Akteure formen die "Achse des Widerstands". Hinzu kommen noch Milizen in Syrien und im Irak.

Sie alle verbindet ein Punkt, erklärt die Iran-Forscherin Diba Mirzaei vom Giga-Institut in Hamburg: "Ein großer Faktor der iranischen Rhetorik und Ideologie ist die Anti-USA- und Anti-Israel-Haltung. Der gemeinsame Feind eint diese Seiten." Gruppen wie die Huthi oder die Hamas werden dementsprechend vom Iran als Teil des Widerstands gegen einen gemeinsamen Feind betrachtet.

Die Fäden dieses Netzwerks laufen in Teheran beim iranischen Regime zusammen. Allerdings dürfe man nicht davon ausgehen, dass der Iran die verschiedenen Gruppen wie eine eigene Armee befehligen kann, sagt der Iran-Forscher Kamrin Matin von der Universität in Sussex. Denn der Einfluss des Iran auf diese Gruppen sei unterschiedlich: "Aber ich würde sagen, dass der Iran in strategisch entscheidender Hinsicht einen erheblichen Einfluss hat." Doch: "Wie diese Gruppen diese Vorgaben tatsächlich umsetzen, liegt wohl in ihren eigenen Händen."

Iran und Hisbollah verbindet Glaube

Am engsten ist die Verbindung zwischen dem Iran und der Hisbollah im Libanon. Die beiden Akteure verbindet nicht nur der gemeinsame Hass auf Israel und die USA, sondern auch der Glaube. Beide Gruppen folgen einer strengen Auslegung des schiitischen Islam. In den 1980er-Jahren hat der Iran die Hisbollah sogar mit aufgebaut. Heute gilt die Gruppe als dominierende Kraft im Libanon und kontrolliert das Land auch politisch. 

"Die Beziehungen zwischen dem Iran und der Hisbollah sind sehr stark", erklärt Iran-Forscher Matin. "Sowohl was die religiöse Ähnlichkeit und Verbindung betrifft als auch aus historischen Gründen. Und weil die Hisbollah viel zentraler organisiert ist, ist es für den Iran leichter, über die Führung dieser Gruppe Einfluss auszuüben."

Huthi und Hamas agieren autonomer als Hisbollah

Auch wenn die religiöse Verbindung weit weniger eng ist - zu den Huthi und der Hamas unterhält der Iran ebenfalls beste Beziehungen. Allerdings agieren diese deutlich autonomer als die Hisbollah. Was den Iran aber nicht davon abhält, auch Huthi und Hamas in erheblichem Maß zu unterstützen.

"Wichtig ist zu verstehen, dass sehr viel Unterstützung vom Iran kommt - sei es militärisch oder personell", erklärt Iran-Forscherin Mirzaei. "Man sieht zum Beispiel auch, dass Kriegsführung und Taktiken der Huthi oder auch der Hamas denen des Irans entsprechen."

Gleichzeitig sei es wichtig zu unterstreichen, dass diese Gruppen eigenständig agierten, sagt Mirzaei. Wenn es den Iran nicht geben würde, diese Gruppen und Konflikte gäbe es trotzdem, betont die Forscherin.

Darstellung des Irans als Strippenzieher

Direkt befehligen könne das Regime in Teheran keinen der Akteure. Trotzdem wird der Iran im Westen häufig als der zentrale Strippenzieher hingestellt. So glaubt zum Beispiel US-Präsident Joe Biden, dass ein Waffenstillstand in Gaza einen iranischen Angriff auf Israel verhindern könnte.

Dieses Narrativ sei problematisch, meint Mirzaei. Denn es spiele dem Iran in die Karten, wenn das Bild in der Welt entstehe, dass der Iran über alles entscheiden und alles beeinflussen könne. Was für sie aber von noch größerer Bedeutung ist: "Dass wir es damit nicht schaffen, diese Konflikte nachhaltig zu lösen, weil wir eben nicht genau auf die Details schauen" und damit auch die Ursachen dieser Konflikte nicht genug unter die Lupe nehmen. Stattdessen gebe es die Idee, dass "wenn externe Akteure weg sind, alles in dieser Region gelöst ist."

Trotz des großen iranischen Einfluss im Nahen Osten müsse jeder Konflikt also einzeln betrachtet werden. Denn jede Gruppe im Nahen Osten verfolgt ihre eigene Agenda. 

Paul Jens, ARD-Studio Istanbul, tagesschau, 16.08.2024 23:16 Uhr