Vor Abstimmung über Justizreform Demonstranten blockieren Eingang zur Knesset
Wenige Stunden vor der geplanten entscheidenden Parlamentsabstimmung über die Justizreform in Israel haben Hunderte Demonstranten den Zugang zur Knesset blockiert. Es gab mehrere Festnahmen. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein.
In Israel haben am Morgen Hunderte Demonstranten die Zugänge zum Parlamentsgebäude in Jerusalem blockiert. In sozialen Netzwerken verbreitete Videos zeigen, wie die Polizei mit Wasserwerfern gegen die Protestierenden vorging. Mitglieder der Protestbewegung "Waffenbrüder" ketteten sich laut israelischen Medienberichten aneinander fest, um den Zugang zum Gebiet der Knesset zu verhindern. Die Feuerwehr setzte elektrische Handsägen ein, um die Demonstranten zu entfernen.
Laut der Zeitung "Haaretz" wurde unter anderem einer der Anführer der Protestbewegung gegen die geplante Justizreform der Regierung, Mosche Radman, festgenommen. In der Nähe des Parlamentsgebäudes wurden mehrere Demonstranten unter dem Verdacht festgenommen, den Verkehr stören zu wollen.
Auch vor dem Haus von Wirtschafts- und Industrieminister Nir Barkat gab es Demonstrationen, bei denen laut Medienberichten drei Personen festgenommen wurden. Weitere Massenproteste vor der Knesset sind für den Abend angekündigt.
Am Nachmittag soll der Gesetzentwurf zur Abschaffung der Angemessenheitsklausel dem Plenum zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt werden. Keiner der bisher präsentierten Kompromissvorschläge, unter anderem von Präsident Isaac Herzog und Hauptgewerkschaftsführer Arnnon-Bar David, fand bislang die Zustimmung aller Beteiligten.
Führende Wirtschaftsvertreter, die rund 150 der größten Unternehmen in Israel vertreten, darunter Banken, Supermarkt- und Einzelhandelsketten, haben laut der Zeitung "Haaretz" für heute einen Streik angekündigt. Mehrere große High-Tech-Unternehmen teilten mit, sich dem Ausstand anzuschließen.
Rivlin warnt vor Bürgerkrieg
Auch am Sonntagabend hatten in Tel Aviv und Jerusalem Hunderttausende Menschen gegen die Justizreform demonstriert. Vereinzelt kam es laut Medienberichten zu Zusammenstößen mit der Polizei, es gab mehrere Festnahmen. Bei einer Rede vor Gegnern der Reformpläne in Jerusalem warnte der frühere Staatspräsident Reuven Rivlin vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Gleichzeitig demonstrierten Zehntausende in Tel Aviv und Jerusalem für die Justizreform.
Der Entwurf zur Abschaffung der Angemessenheitsklausel ist ein Kernelement der Justizreform. Sie ermöglicht es bisher dem obersten Gericht des Landes, Regierungsentscheidungen als "unangemessen" zu bewerten. Zuletzt kam sie zur Anwendung, als das oberste Gericht im Januar die Ernennung des vorbestraften Arieh Deri (Schas-Partei) zum Innen- und Gesundheitsminister untersagte.
Netanyahu wieder in der Knesset
Auch Premier Benjamin Netanyahu wird heute wieder in der Knesset erwartet, nachdem ihm kurzfristig ein Herzschrittmacher implantiert wurde. Inzwischen wurde er aus dem Krankenhaus entlassen. Bisher scheint er entschlossen, die Reform durchs Parlament zu bringen.
Befürworter der Gesetzesänderung argumentieren, es handele sich bei der Angemessenheitsklausel um ein sehr subjektives Werkzeug, das den Richtern weitreichende politische Einmischung erlaube. Gegner des Reformvorhabens halten die Klausel hingegen für unerlässlich im Kampf gegen Korruption sowie zum Schutz vor willkürlichen Regierungsentscheidungen.