Israelische Soldaten im Gazastreifen

Altersgrenze bei Reservisten Israels drängende Suche nach mehr Soldaten

Stand: 26.06.2024 22:16 Uhr

Bis zu einem Alter von 40 Jahren können Reservisten in Israel vom Militär einberufen werden. Die Altersgrenze könnte bald angehoben werden, denn der Armee fehlen Soldaten. Einige Reservisten wollen sich weigern.

Von Nadja Armbrust, ARD Tel Aviv

Israels Armee fehlen Soldaten. Deshalb hat das Militär selbst ein neues Gesetz gefordert. Über einen entsprechenden Entwurf sollte im Verteidigungsausschuss abgestimmt werden, doch der Ausschussvorsitzende verschob diese Abstimmung nun.

Der Entwurf sieht vor, dass das Alter, bis zu dem Reservisten Reserve leisten müssen, um ein Jahr angehoben wird. Soldaten wären somit statt mit 40 erst mit 41 Jahren aus dem Reservedienst ausgeschieden.

"Gemeinsam annehmen oder gemeinsam ablehnen"

Ausschussvorsitzender Yuli Edelstein hatte angekündigt, den umstrittenen Gesetzentwurf nur bei breiter Zustimmung zur Abstimmung zuzulassen. Während des Ausschusses, betonte er, wie wichtig ihm bei dieser Frage Geschlossenheit ist: "Entweder werden wir alle gemeinsam den Antrag der Armee ablehnen oder wir werden ihn gemeinsam annehmen."

Er habe weder ein persönliches Interesse, noch ein Interesse für seine Partei, die Fraktion oder der Koalition dieses Gesetz zur Abstimmung zu bringen. "Entweder sind wir uns einig, oder nicht. Aber wir müssen einander in die Augen schauen können und gemeinsam entscheiden", so Edelstein.

Am Ende entschied er sich dagegen, das Gesetz zur Abstimmung einzureichen. Erst vor kurzem war bereits ein erster, deutlich weitreichender Vorschlag abgelehnt worden. Dass Reservisten länger eingezogen werden sollen, ist in Israel unbeliebt. Denn ein kleiner Teil der Bevölkerung trägt die Hauptlast: Nur drei Prozent der Israelis sind Reservisten. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Kinder.

Eine Belastung für Familien

Mor Kish ist Mutter von zwei Kindern. Ihr Mann wurde eingezogen. Im israelischen Fernsehen erzählt sie davon, dass ihr gekündigt wurde, weil sie Familie und Arbeit nicht mehr unter einen Hut bekam. "Alle Kollegen haben im Homeoffice gearbeitet, aber ich konnte nicht die ganze Zeit erreichbar sein und Deadlines einhalten oder Kundengespräche führen", sagt Mor Kish. "Sobald ich am Telefon war, klebten die Kinder an mir."

Kündigungen wie diese sind zurzeit zwar nicht rechtmäßig, doch Belastungen für Familien, bei denen ein Partner eingezogen wurde, bleiben. Dass der Gesetzentwurf nun nicht wie geplant verabschiedet werden kann, hat Folgen: Ab Montag, dem 1. Juli, müssten laut Medienberichten Tausende Reservisten freigestellt werden. Die genaue Zahl ist bisher nicht bekannt.

Debatte um Ultraorthodoxe

Die Entscheidung kommt in Israel zu einer Zeit, in der das Land darüber diskutiert, ob und wie Ultrareligiöse im Militär dienen sollen. Denn der Großteil derer, die nicht Reserve leisten, sind Ultrareligiöse. Gestern hatte der Oberste Gerichtshof einstimmig entschieden, dass es keine gesetzliche Grundlage gibt, um sie vom Militärdienst zu befreien. Die Gerichtsentscheidung stößt auf Kritik der Ultraorthodoxen.

Die israelische Regierung arbeitet derzeit an einem Gesetz, um die Frage nach dem Militärdienst für Ultrareligiöse zu lösen. Doch aus der eigenen Partei von Regierungschef Benjamin Netanyahu kommt Kritik. Beobachter gehen davon aus, dass es bis zur Sommerpause kein neues Gesetz dazu geben wird.

Einige Reservisten wollen Einberufung verweigern

Währenddessen wird auch Kritik aus dem Militär an der israelischen Regierung lauter: Yuval Green hat monatelang im Gazastreifen gekämpft - jetzt hat er mit anderen Reservisten zusammen einen offenen Brief unterzeichnet und öffentlich erklärt, warum er seine nächste Einberufung verweigern will.

"Für mich stand die ganze Zeit fest, dass sobald konkrete Vorlagen für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln vorliegen, es nicht mehr richtig sein wird, den Krieg weiterzuführen. Ich habe es mir als einen Punkt gesetzt, den ich nicht überschreiten wollte." Letztlich sei er doch im Gazastreifen geblieben, weil er seine Kameraden nicht allein zurücklassen wollte.

Das Wichtigste für ihn sei jetzt, die Geiseln zurückzubringen. "Es besteht die Möglichkeit, sie freizubekommen, aber wir nehmen sie einfach nicht wahr und führen weiter Krieg", so Yuval Green.

Der Streit über Israels Krieg in Gaza und darüber, wie die Last diese Krieges gerechter auf die israelische Bevölkerung verteilt werden kann, bleibt ungelöst.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Juni 2024 um 12:00 Uhr.