Demonstration in Amman (Jordanien) zur Unterstützung der Palästinenser

Krieg in Gaza, Spannungen mit Iran Jordaniens Spagat

Stand: 25.04.2024 13:42 Uhr

Die Mehrheit der Jordanier ist palästinensischer Abstammung, zugleich hat das Land Frieden mit Israel geschlossen. Das führt Jordanien in eine Zerreißprobe, die eine andere Regionalmacht auszunutzen versucht.

Wochenlang gingen in Jordaniens Hauptstadt Amman hunderte Demonstranten auf die Straße und protestierten vor der israelischen Botschaft gegen die Kämpfe im Gazastreifen. "Tod für Israel", riefen sie, und "Gaza, bleib tapfer". Die Wut auf Israel scheint im Nachbarland riesig zu sein.

Und dann geschah vor kurzem das: Als der Iran mehr als 300 Drohnen und Raketen Richtung Israel feuerte, beteiligte sich Jordanien aktiv an der Abwehr - schoss selbst Drohnen ab, die über das eigene Staatsgebiet flogen. Zur Freude Israels und der verbündeten Länder. Israels Generalstabchef Herzi Halevi erklärte, der iranische Angriff habe "neue Möglichkeiten der Kooperation im Nahen Osten geschaffen".

Entsetzen herrscht dagegen auf der pro-palästinensischen Seite. Beobachter und Kommentatoren in der arabischen Welt reagierten mit Kopfschütteln und werfen Jordanien Doppelmoral vor. In den sozialen Netzwerken wird Jordanien sogar als Verräter beschimpft. Mustafa Kamal as-Sayyed, Politikwissenschaftler an der Kairo-Universität, sagt, die Verantwortlichen in Jordanien seien in einer schwierigen Lage. "Sie wollen nicht in einen regionalen Konflikt hineingezogen werden und versuchen deshalb, die direkte Konfrontation zwischen Iran und Israel zu verhindern."

Breite Solidarität mit den Palästinensern

Jordanien befindet sich im Spagat: Auf der einen Seite sind rund 60 Prozent der Bevölkerung palästinensischer Abstammung, darunter auch Königin Rania. Dementsprechend solidarisiert sich die Mehrheit der Jordanier, wie die meisten Menschen in der arabischen Welt, im Nahost-Krieg mit den Palästinensern.

Viele werfen Israel Kriegsverbrechen in Gaza vor. Auch das jordanische Könighaus sparte nicht an Kritik Richtung Israel und organisierte eine Luftbrücke für Gaza.

Seit vielen Jahren Frieden mit Israel

Gleichzeitig hat das jordanische Könighaus bereits 1994 als eines von wenigen arabischen Ländern Frieden mit Israel geschlossen und ist ein enger Verbündeter der USA und Europas. Die Mutter von König Abdallah ist Britin, er und seine Kinder wurden in britischen Eliteschulen ausgebildet. Auch deutsche Soldaten sind in Jordanien stationiert.

Schon seit der Staatsgründung ist Jordanien eng mit dem Westen verbündet. Politikwissenschaftler As-Sayyed erinnert daran, dass Jordanien "ein Produkt westlicher Kolonialmächte" sei. Die Briten und die Franzosen hätten das Land nach dem Ende des osmanischen Reiches dem hashemitischen Sherifen von Mekka gegeben, als Belohnung, weil er sich gegen die Osmanen aufgelehnt hat. "Der Westen hat Jordanien immer beschützt, denn angesichts von zahlreichen Despoten und radikalen Kräften in der Region hat man ein Interesse an einem Verbündeten in der arabischen Welt und beschützt Jordaniens Sicherheit."

 

Ein Ort unaufgeregter Stabilität

Jordanien hat seit Jahrzehnten vor allem eine Aufgabe: eine Pufferzone zu sein. Das kleine Land ohne viele Bodenschätze und fast ohne Wasser grenzt an Israel auf der einen Seite, an den Irak auf der anderen, an Saudi-Arabien im Süden und an Syrien im Norden.

Lauter Kriege und Konflikte tobten und toben um das kleine Land herum - Flüchtlinge aus allen Richtungen kamen ins sichere Jordanien und blieben dort, ob aus den Palästinensergebieten, während des Irak-Krieges, des Vormarsches des "Islamischen Staats" oder des Syriens-Kriegs.

Jahrelang war Jordanien ein Ort unaufgeregter Stabilität im ständig brodelnden Nahen Osten - weshalb der zeitweilige Ruf Ammans, langweilig zu sein, für Jordanier fast wie ein Kompliment klingen mochte.

Doch mit dieser Beschaulichkeit ist es vorbei. Der jordanische Politik-Professor Amer Sabaileh stellt fest, die geographische Lage versetze Jordanien "in die Mitte aller Konflikte". Der Umstand, dass Jordanien dagegen "das einzige Land der Region ohne eigenen Konflikt" sei, bringe andere Akteure dazu, "ein Auge auf Jordanien zu werfen, um das Land zu destabilisieren".

 

Das Versprechen des Königs

Innerhalb des wirtschaftlich angeschlagenen Jordaniens brodelt es. König Abdallah begründete den Abschuss der iranischen Drohnen klar mit einem Hinweis auf die eigene nationale Sicherheit - es handele sich um reine Selbstverteidigung.

Die Sicherheit und Souveränität Jordaniens stünden über allem und der Schutz unserer Bürger komme zuerst. Der König versicherte: "Jordanien wird nicht zum Schlachtfeld, egal von welcher Seite!"

In sozialen Netzwerken ging sogar die Meldung viral, die Tochter des Königs, selbst ausgebildete Kampfpilotin, habe persönlich iranische Drohnen vom Himmel geholt. Eine Falschmeldung, wie sich das Könighaus beeilte zu dementieren - doch Millionen hatte die Meldung bereits erreicht.

 

Ein Versuch der Destabilisierung?

Wie sehr steht der König unter Druck? Auf jeden Fall reagiert die Regierung mit Druck. Die Demonstrationen gegen Israel wurden zwischenzeitig verboten, es kam zu Verhaftungen. Der Zwist zwischen Teilen der Bevölkerung und dem Könighaus scheint offensichtlich.

Und der Versuch, zu spalten und Jordanien zu destabilisieren, sei Teil einer politischen Agenda, sagt Politikprofessor Amer Sabaileh. Er fragt, warum Iran seine Drohnen ausgerechnet über Jordanien geschickt habe.

Wenn Iran wirklich Israel hätte treffen wollen, hätte er die Route über Syrien oder den Libanon wählen können. Nein, es ging ihm darum, Jordanien in den Konflikt mit hineinzuziehen. Wir erleben das schon länger, ob es sich um Waffenschmuggel, Angriffe an der Grenze oder den Drogenschmuggel handelt, der von Syrien ausgeht - das Ziel des Iran ist es, Jordanien zu destabilisieren.

 

Druck auch aus Libanon

Dem Iran ist der enge Bündnispartner des Westens im arabischen Raum offenbar schon länger ein Dorn im Auge. Das eh schon kühle, aber immer noch existierende Verhältnis zu Jordanien hat sich auf Eisschrank-Temperatur abgekühlt.

Das Ziel von Teheran ist, seine Macht in der Region auszuweiten und Verbündete des Westens zu destabilisieren. Der Iran hat großen Einfluss im Irak, unterstützt die Huthi im Jemen, zieht die Strippen in Syrien und im Libanon - die sogenannte Achse des Widerstands gegen Israel.

Doch auch wenn es derzeit in allen Ländern verstärkt zu Gewalt kommt - den ganz großen Krieg will Teheran offensichtlich nicht, sagen Beobachter, sonst wäre der iranische Drohnenangriff vermutlich nicht im Vorfeld mehrfach angekündigt worden, sonst hätte Iran auf den jüngsten Gegenangriff Israels unmittelbar heftig militärisch reagiert.

Die verbalen Drohgebärden sind jedoch scharf und nehmen auch Jordanien ins Visier, auch aus verbündeten Staaten. Der hisbollahnahe Politiker Wiam Wahhab aus dem Libanon sagt, Jordanien befinde sich jetzt "im Auge des Sturms" und werde zur "Zielscheibe aller Kräfte der Widerstandesachse". "Jordanien hat sich als Israels Verbündeter positioniert. Ich bete zu Gott, dass Jordanien aus diesem Sturm unversehrt rauskommt."

Wie die Balance halten?

Die Bedrohung für Jordanien auch in naher Zukunft sei offensichtlich, sagen Beobachter. Jordanien muss die Balance finden zwischen den aufgeheizten Gemütern in der eigenen Gesellschaft und den Bündnispartnern - das Land übt den Spagat und riskiert, angesichts der jüngsten Aktionen selbst in den Konflikt hineingezogen zu werden. Als Ausweg erscheint nur ein Szenario - so der jordanische Außenminister Ayman Safadi.

"Wenn das palästinensische Problem gelöst ist, werden wir die ersten in der Region sein, die sagen: 'Raus mit dir, Iran, du hast hier nichts mehr verloren'." Der Iran benutze den Konflikt um die Palästinenser. Wenn er aber gelöst sei, habe Iran "keinen Grund mehr, seine Politik der Spannungen in der Region fortzusetzen".

Jordanien will um jeden Preis vermeiden, selbst zum Schlachtfeld zu werden und hält an seinem Bündnis mit dem Westen fest. Doch solange der Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern ohne Lösung weitergeht, hat Jordanien mehr und mehr Mühe, die Balance zu halten und nicht in den Strudel des Konflikts gezogen zu werden - als kleines Land zwischen allen Fronten.