Ausgangssperre in Kaschmir Opferfest im "Freiluftgefängnis"
Die beispiellose Blockade in Kaschmir hält an. Zum höchsten islamischen Festtag dürfen die Menschen zwar einkaufen, sind ansonsten aber abgeschnitten von der Außenwelt. Die Unzufriedenheit und Anspannung steigen.
Demonstranten laufen durch die Straßen von Srinagar, der größten Stadt in Kaschmir. Die BBC hat ein Video veröffentlicht und schreibt, mehrere tausend Menschen hätten am Freitag protestiert. Die indische Regierung hätte das Feuer eröffnet und sei mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen. Der Polizeichef aus der Region twitterte daraufhin, dass in Kaschmir kein Beschuss stattgefunden habe und die Region friedlich sei.
Nach wie vor ist es schwierig, an Informationen aus Kaschmir zu kommen. Die indische Regierung erteilt den meisten ausländischen Journalisten keine Erlaubnis, die Region zu betreten. Da das Internet komplett gesperrt ist, gelangen nicht viele Videos und Fotos aus Kaschmir heraus.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Belastender ist es für die Menschen, die in Kaschmir leben. Seit einer Woche haben die meisten nichts von ihren Verwandten gehört, denn nur in wenigen Behörden wurden Telefone für die Bevölkerung aufgestellt. Zwei Minuten dürfen die Kaschmiris unter Aufsicht von Soldaten dann mit der Außenwelt sprechen. Der indische Premierminister Narendra Modi hatte in einer Fernsehansprache der Kaschmir-Region versprochen, dass nun eine neue Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs bevorstünde. Terrorismus und Korruption, sagte er, gehörten nun der Vergangenheit an.
Die Herzen der Einwohner Kaschmirs hat er damit nicht gewonnen, denn die erleben die neue Ära derzeit quasi unter Hausarrest. Ein Einwohner von Srinagar sagte, es fühle sich an, als lebe er seit einer Woche in einem Freiluftgefängnis.
Vergleiche mit Konzentrationslagern
Die meisten Menschen in Indien hingegen erklären sich mit der Politik ihres Premierministers einverstanden. Nur wenige demonstrieren für die Rechte der Menschen in Kaschmir, wie am Wochenende in Neu-Delhi. Da forderten Demonstranten, dass die Kaschmiris endlich wieder die Möglichkeit bekommen sollen, mit der Außenwelt zu kommunizieren.
Asmat Pandit, Studentin, 20 Jahre alt, sagt in einem Video der Nachrichtenagentur AP: "Die Konzentrationslager, die Hitler für die Juden gebaut hat, das sind die, wie wir hier in Kaschmir gerade in einer modernen Form erleben können. Die ganze Welt kann das sehen." Dieser Vergleich ist mehr als drastisch und es gibt keinerlei Belege dafür. Aber auch der pakistanische Premierminister Imran Khan zog an diesem Wochenende auf Twitter einen Nazi-Vergleich. In seinem Tweet schrieb er: Der Plan hinduistischer Führer sei nichts anderes als eine Version von "Hitlers Lebensraum".
Angst vor Hindunationalisten
Denn die indische Regierung hat den Sonderstatus des Bundesstaates Jammu und Kaschmir abgeschafft. Eines der Sonderrechte war, dass niemand außer einem Kaschmiri selbst in der Region Land erwerben konnte. Das ist nun anders.
Und so befürchten die Muslime, dass die indische Regierung, die seit mehr als fünf Jahren von Hindunationalisten gestellt wird, die Region mit Hindus bevölkern will, damit die Muslime nicht mehr in der Mehrheit sind. Heute aber würden erst einmal die Feierlichkeiten für das Opferfest im Vordergrund stehen, sagte ein Einwohner aus dem Ort Rajouri: "Wir leben hier friedlich miteinander und wir freuen uns darauf, zusammen feiern zu können."
Viele Beobachter allerdings vergleichen die derzeitige Lage in Kaschmir mit einem Dampfkocher. Noch werden die Emotionen der Kaschmiris von den Sicherheitskräften unter Verschluss gehalten. Aber der Beschluss, dass die Menschen in Kaschmir nun direkt von Delhi aus regiert werden, lässt keinen kalt in der Region. Und die Frage ist, ob der Dampfkocher, aufgeladen mit dem Zorn der Bewohner Kaschmirs, nicht droht, in den nächsten Tagen zu explodieren.