Auf der Fanmeile von Doha "Die Stimmung ist fantastisch"
Unterdrückung, Zensur, Ausbeutung von Arbeitern? Auf einer Fanmeile in Doha will von Kritik am WM-Veranstalter Katar niemand etwas wissen. Vor dem Anpfiff wollen die Organisatoren alles ins rechte Licht setzen.
Feiner Sand, bunte Teppiche, Beduinenzelte: die Kulisse für den kleinen Markt an der Uferpromenade von Doha soll an das Leben in der Wüste erinnern. Männer, Frauen und Kinder schlendern an Ständen vorbei, kaufen Popcorn und arabischen Kaffee. Ein bisschen Folklore vor dem Start der Fußball-WM - Mohammed aus Katar gefällt das. "Die WM-Stimmung ist richtig schön. Man kann es nicht anders sagen", sagt er. "Hoffentlich wird es uns gelingen, dieses internationale Fest auf höchsten Niveau auszurichten!"
In Katar freuen sich viele auf die WM - Einheimische genauso wie Arbeiter aus dem Ausland. Adel aus Ägypten lebt schon seit 14 Jahren in Katar. Er freut sich besonders, dass der Gastgeber in diesem Jahr ein arabisches und islamisches Land ist: "Wir freuen uns darauf, den Menschen unsere Kultur zu zeigen. Die Stimmung hier ist einfach fantastisch!"
Die Kritik an der WM in Katar hält Adel für übertrieben. Menschenrechtsverletzungen? Gibt es auch in anderen Regionen. Schlechte Arbeitsbedingungen? Stimmt nicht, sagt der 44-Jährige.
Das wird die beste WM aller Zeiten werden, denn die Menschen, die die WM ausrichten, erledigen ihre Arbeit mit viel Liebe.
ILO lobt Katars Reformen im Arbeitsrecht
Kritik an der WM? Gibt es im Land nicht. Vielleicht auch, weil alle wissen, dass das riskant sein kann - gerade für Arbeitsmigranten aus dem Ausland. Sie haben weniger Rechte als die Staatsbürger. Die Herrscherfamilie setzt alles daran, Katar ins richtige Licht zu setzen und reagiert zunehmend empfindlich auf die anhaltende Kritik aus dem Westen.
Emir Tamim bin Hamad Al-Thani vermutet dahinter sogar böse Absicht: "Seit wir den Zuschlag für die Weltmeisterschaft erhalten haben, sieht sich Katar einer beispiellosen Kampagne ausgesetzt", schimpfte er jüngst und behauptete: "Kein anderes Land, das eine WM ausgerichtet hat, wurde so stark kritisiert." Dabei sei Katar seinen Kritikern entgegengekommen.
Tatsächlich hat der Staat die Rechte der Arbeiter gestärkt und einen Mindestlohn eingeführt. Max Tunon von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO stellt Katar ein gutes Zeugnis aus. "Seit 2018 sehen wir einen gewaltigen Fortschritt: Neue Gesetze sind verabschiedet worden, mit Hilfe neuer Systeme sind die Stimmen der Arbeiter gestärkt worden und ihre Vertretung", sagt er. "Das ist eine ganz andere Dynamik als das, was hier noch vor ein paar Jahren stattgefunden hat."
Fans werden sich eigenes Bild machen
Gerade im Vergleich zu den anderen Golfstaaten könnten sich die Reformen in Katar durchaus sehen lassen, meint Tunon - auch wenn längst noch nicht alle Probleme gelöst seien.
Nagham aus Syrien lebt seit vier Jahren in Katar. Auf ihre Wahlheimat lässt sie nichts kommen: "Wir sind uns bewusst, dass wir kritisiert werden, aber das Bild, das sich die Fans mit eigenen Augen machen werden, wird am Ende alles widerlegen", ist sie sicher.
WM-Kritik oder gar Boykott? Mohamed aus Katar sieht diese Vorschläge gelassen: "Es gibt ein Sprichwort bei uns: Nur eine Palme, die Früchte trägt, wird mit Steinen beworfen …"