Kurden und die Fußball-WM Kein eigenes Land, kein eigenes Team
Eine kurdische Nationalmannschaft gibt es nicht, weil es keinen kurdischen Staat gibt. Wen also feuern kurdische Fans bei der Fußball-WM an? Tilo Spanhel hat den irakischen Erbil Sport Club besucht.
Auf dem Fußballplatz neben der Hauptstraße trainiert der Nachwuchs des Erbil Sport Club. Ali Geywan ist einer von etwa 20 Spielern, die heute zum Training erschienen sind. "Klar macht es mir Spaß, hier im Stadion vor Zuschauern zu gewinnen", sagt er. "Aber es ist auch toll, irgendwo in Ruhe mit seinen Freunden zu kicken - ich liebe Fußball einfach."
Der 22-Jährige spielt in der Abwehr. Schon seit seiner Kindheit trainiert er, um irgendwann mal bei den Profis dabei sein zu können. Und die Chance zu bekommen, für einen der großen europäischen Clubs zu spielen. "Ich habe so viele Träume - auch was Fußball angeht. Doch hier werde ich die nicht verwirklichen können."
Verein sieht sich als kurdisch
Der Fußballverein, in dem Geywan spielt, hat Tradition: Der Erbil Sport Club wurde 1968 gegründet, also vor mehr als 50 Jahren. 1992 zog der Verein dann in das neu errichtete Stadion neben der Hauptstraße ein - knapp 25.000 Zuschauer finden hier Platz. Und obwohl der Verein in der ersten irakischen Liga spielt, sich auf irakischem Staatsgebiet befindet und schon mehrfach irakischer Meister wurde - der Erbil Sport Club sieht sich selbst ganz klar als kurdisch.
"Es ist unser Traum, dass Kurdistan irgendwann mal ein eigenes Land wird", erklärt der Trainer des Teams. "Und wir hoffen, dass dieser Traum auch mal Realität wird."
Im Irak ist der Erbil Sport Club eine große Nummer. Er ist der erste irakische Verein, der je Spieler aus dem Ausland eingekauft hat. Und er hat sich als erster Verein des Landes für die asiatische Champions League und die arabische Champions League qualifiziert.
"Hier wird dich keiner entdecken"
Doch Glanz und Glamour von großen europäischen Vereinen, wie Bayern München, Real Madrid oder Liverpool sind an der Hauptstraße in Erbil nicht zu spüren. Geywan, der 22-jährige Abwehrspieler, will auf jeden Fall so schnell es geht weg von hier. "Hier wird dich keiner entdecken", sagt er. "Und du wirst auch nicht berühmt. Du musst nach Europa, um dir einen Namen zu machen."
Was ihn länger halten würde, wäre eine offizielle kurdische Nationalmannschaft. Doch die gibt es nicht. Es gibt ja auch keinen kurdischen Staat.
Die WM lässt sich der 22-Jährige trotzdem nicht entgehen - auch wenn er sich dafür ein anderes Land, ein anderes Team zum Anfeuern aussuchen musste. "Ich unterstütze dieses Jahr Brasilien. Die spielen einfach super! Und auch wenn es kein kurdisches Team gibt - die WM gucke ich trotzdem."