Lawrow beim OSZE-Treffen "Die Organisation steht am Rande des Abgrunds"
Die Teilnahme des russischen Außenministers Lawrow am OSZE-Treffen hatte schon im Vorfeld eine Kontroverse ausgelöst. In seiner Rede stellte er nun die Zukunft der Organisation infrage. Mehrere Delegierte verließen den Saal.
Das Treffen der OSZE-Außenminister steht im Zeichen der Krise der Organisation. Die OSZE wurde im Kalten Krieg gegründet, um den Dialog zwischen Ost und West sicherzustellen. Doch von Dialog war in der mazedonischen Hauptstadt Skopje wenig zu hören.
Der erste Tag im Plenum der Außenminister glich einem Schlagabtausch. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte, mit der NATO-Osterweiterung habe sich die "westliche Politikelite" gegen die OSZE entschieden: "Die OSZE wird zu einem Anhängsel der NATO und der Europäischen Union. Die Organisation steht, offen gesagt, am Rande des Abgrunds", so Lawrow. "Es stellt sich die Frage: Hat es Sinn, Anstrengungen in ihre Wiederbelebung zu investieren?"
Baerbock appelliert an Russland
Mehrere Delegierte anderer Staaten verließen während Lawrows Rede den Saal. Die Außenminister der Ukraine, der drei baltischen Staaten und Polens waren wegen Lawrows Teilnahme erst gar nicht angereist.
Andere Europäische Staaten vertreten die Linie, man müsse jede Gelegenheit nutzen, um Russland die Meinung zu sagen. Zu dieser Gruppe gehört die deutsche Delegation. "Stoppen Sie diesen Krieg, der auch ein Krieg auf genau diese Organisation, die Sicherheit und Kooperation in Europa, ist", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Skopje an die Adresse Russlands. "Stoppen Sie das unsägliche Leid, das Sie über Millionen von Menschen bringen und mit dem Sie zugleich tagtäglich unsere Organisation verletzen."
Ungarn sieht Problem in den Waffenlieferungen
Für ein Ende des Krieges sprach sich auch der ungarische Außenminister Peter Szijjarto aus. Allerdings mit einem ganz anderen Zungenschlag als zuvor Baerbock. "Die Waffenlieferungen haben den Krieg verlängert. Und wir brauchen keinen Krieg, wir brauchen keine Waffen in der Region", sagte er zum Krieg in der Ukraine. "Was wir brauchen, ist Frieden. Und in diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass es wichtig ist, die Kommunikationskanäle offen zu halten."
Gesagt, getan. Szijjarto traf sich am Rande des OSZE-Ministerrats auch bilateral mit Lawrow. Auch der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg nahm an dem Treffen teil - auf Bitten der OSZE, wie eine Sprecherin später betonte. Die Organisation hat ihren Sitz in Wien, Österreich habe eine besondere Verantwortung für die OSZE.
Schallenberg: "Niemand fühlt sich verantwortlich"
An dem Zustand der OSZE seien viele Teilnehmerstaaten Schuld, proklamierte Schallenberg dann in der Runde der Außenminister. "Die meisten von uns verhalten sich wie Bauarbeiter, die mit verschränkten Armen auf der Baustelle herumstehen und sich die Dinge ansehen, die repariert werden müssen", sagte er. "Aber niemand greift ein, niemand fühlt sich verantwortlich, die Arbeit endlich zu erledigen. Aber dafür sind wir heute hier versammelt; nicht um den Status quo zu beklagen, sondern um die Arbeit zu erledigen."
Was er damit meinte: Sollten sich die Teilnehmerstaaten in Skopje nicht einig werden, sind ab Montag die vier Spitzenämter der Organisation vakant. Auch einen geregelten Haushalt hat die Organisation schon seit zwei Jahren nicht mehr.