Sorge vor Eskalation in Beirut "Wir müssen ja irgendwie leben"
Seit Monaten wachsen die Spannungen im Nahen Osten. In der libanesischen Hauptstadt Beirut war von einem drohenden Krieg lange nichts zu spüren - doch das ändert sich. Trotzdem hoffen die Menschen dort auf eine friedliche Lösung.
Landung am Flughafen Beirut, in einer voll besetzten Maschine. "Fully booked", sagt die Stewardess mit einem Lächeln - und fügt schnell als Erklärung hinzu: "Beirut is beautiful", Beirut sei schließlich schön. Damit hat sie normalerweise Recht, doch jetzt droht Krieg. Das deutsche Auswärtige Amt ruft, wie viele andere Staaten auch, ihre Bürger zur dringenden Ausreise auf. Noch ist er nicht da, der Krieg in Beirut - und vielleicht kommt er ja auch gar nicht.
"Es ist alles in Gottes Hand", sagt Fahrer Khalil schulterzuckend. "Nur Gott weiß, was aus dem Libanon wird." Auf der Hamra, der Haupteinkaufsstraße Beiruts, ist deutlich weniger los als sonst. Nur wenige Fußgänger schlendern an den Geschäften vorbei. In einem Coffeeshop sitzt Fatima und klammert sich an ihren Kaffebecher, als wolle sie die Normalität festhalten. "Ich mache normal weiter, wir müssen ja irgendwie leben", sagt sie.
Alltag in Unsicherheit
Seit Monaten beschießt im Süden des Libanon die schiitsche Hisbollah-Miliz Israel, aus Solidarität mit den Palästinensern in Gaza. Israel antwortet entsprechend, täglich gibt es heftige Gefechte. Während all das in der feierfreudigen Hauptstadt Beirut lange sehr weit weg wirkte, scheint der Krieg jetzt geografisch und mental ein großes Stück näher gerückt zu sein.
Die Hisbollah und der Iran drohen Israel mit Vergeltung für den Tod von Hamas-Chef Hanija und dem Hisbollah-Kommandeur Schukr. Und jede Vergeltung zieht neue Vergeltung nach sich, das wissen die Menschen in Beirut - spätestens seit israelische Kampfjets vor wenigen Tagen kurz vor einer Rede von Hisbollah-Chef Nasrallah im Tiefflug mehrmals über die Hauptstadt donnerten. Dabei durchbrachen sie die Schallmauer mit ohrenbetäubendem Knall. Seitdem fürchten die Menschen in Beirut wirklich, dass der Krieg kommen könnte. Oder zumindest ein paar Tage des Schreckens.
Entscheidende Tage für den Libanon
"Die nächsten Tage sind entscheidende Tage für den Libanon - entweder Krieg oder Lösung", sagt der libanesische Politikanalyst Amine Kammourieh. Hinter dem jüngsten Aufruf der drei Vermittlerstaaten Katar, Ägpten und den USA, kommende Woche eine neue Gesprächsrunde für eine Waffenruhe in Gaza zu starten, stecke raffinertes Kalkül, das einem Krieg in Libanon etwas Aufschub geben könnte.
Politikanalyst Amine Kammourieh sieht raffiniertes Kalkül in den Verhandlungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen.
"Bis zu diesen Gesprächen können Hisbollah und Iran eigentlich nichts großes machen, denn jede Eskalation würde die Verhandlungen behindern - damit könnte man ihnen vorwerfen, den Menschen in Gaza zu schaden, statt zu helfen", meint Kammourieh.
Fluchtgedanken und wenig Optimismus
Aber folgen die Konfliktparteien diesem Kalkül? Die Menschen in Beirut sind bedingt optimistisch: In einem sonst gut besuchten Restaurant berichtet der Kellner, dass der Umsatz um mehr als 60 Prozent zurückgegangen sei. In der Bäckerei räumt der Verkäufer ein, Angst zu haben. Er plane mit seiner Familie in sein Heimatdorf in den Bergen zu flüchten, wenn es losgeht.
Und Makler Hassan berichtet, dass die Preise für Wohnungen in den Bergen außerhalb Beiruts deutlich gestiegen seien: "Die Preise sind hoch, weil die Leute dorthin ziehen - das können sich bald nur noch die Reichen leisten, 2.000-3.000 Dollar im Monat, das ist ein großes Problem."
In den sonst so belebten Straßen von Beirut herrscht angesichts der drohenden Eskalation in Nahost derzeit wenig Treiben.
Kaum Perspektiven für junge Menschen
In einem Copyshop arbeitet Farah. Die junge Frau mit den langen dunkelblonden Zöpfen hat eigentlich Biologie studiert - aber hier im Libanon finde sie keine Arbeit, sagt sie traurig. Und die aktuelle Krise mache das alles nicht besser. "Wir jungen Leute machen gute Abschlüsse, aber finden keine Arbeit. Dieses Land hat so große wirtschaftliche Probleme. Und jetzt dieser drohende Krieg, der mir Angst macht", klagt sie. Die Akteure außerhalb des Libanon müssten eine Lösung finden, damit das Land nicht tiefer in den Konflikt gezogen werde.
Ein alter Mann, der gerade vorbei spaziert, bringt es auf den Punkt: "Die Lösung liegt in Jerusalem", ruft er und geht weiter, "das ist der Knoten, der gelöst werden muss." Sprich, nur wenn es eine Lösung für den Nahostkonflikt gebe, für die Palästinenser und für Jerusalem - nur dann könne es auch im Libanon vielleicht Frieden geben.