Sonderverwaltungszone Macau Viel China, wenig Portugal
500 Jahre lang gehörte Macau zu Portugal, seit 1999 zu China. Gerade wird das 25-jährige Jubiläum gefeiert. Macau ist eine Sonderverwaltungszone wie Hongkong - nur ohne Proteste. Was macht den Unterschied?
Im touristischen Zentrum von Macau, am Senatsplatz, dem Largo do Sonado, sind die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Übergabe der ehemaligen portugiesischen Kolonie kaum zu übersehen. Ein roter beleuchteter Rundbogen mit einer großen 25 in der Mitte schmückt den Platz. Die anschließende Flaniermeile wird geziert durch abwechselnd chinesische Nationalflaggen und grüne Macau-Flaggen zwischen Gebäuden, die so auch in einem europäischen Stadtzentrum stehen könnten.
"Das Besondere an diesem Ort ist, dass man viele bunte Häuser sieht, wie die in Portugal. Es ist ganz anders und ansprechender im Vergleich zu den Häusern auf dem Festland", sagt die 32-jährige Chen Jingxin. Sie kommt selbst aus Festlandchina. Sie ist für ihren Ehemann vor zehn Jahren aus der benachbarten Millionenmetropole Guangzhou ins beschauliche Macau gezogen - mit nur etwa 700.000 Einwohnern. Heute verdient sie Geld mit Touristen, die meist aus Festlandchina kommen, und macht Fotos von ihnen.
"Eine Mischung aus China und Portugal"
Gu Liangcheng ist zum ersten Mal in Macau und aus Shanghai angereist."Es ist eine Mischung aus chinesischer und portugiesischer Kultur, wie die wunderschönen farbigen Fliesen. Ich finde das ganz entzückend."
Im 16. Jahrhundert kamen die ersten Portugiesen mit Schiffen nach Macau. Sie kauften mit Silber chinesische Waren wie Porzellan und Tee. Später haben sie Macau offiziell gepachtet und dann kolonialisiert. Bis 1999.
Am 20. Dezember um Mitternacht vor 25 Jahren wurde Macau an die Volksrepublik China übergeben. Si Wun Cing war damals 19 Jahre alt und als Grafik-Designerin an der Zeremonie beteiligt. "Ich war wirklich glücklich und aufgeregt, weil ich an diesem Tag sehr lange gearbeitet habe und es sehr anstrengend war. Insgesamt war die Übergabe an China eine glückliche Zeit", sagt sie.
Der Einfluss von Peking ist groß
Macau ist seit der Übergabe eine chinesische Sonderverwaltungsregion, genauso wie das 60 Kilometer östlich gelegene Hongkong, und wird nach dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme" verwaltet: Auf der einen Seite das von der kommunistischen Partei regierte Festlandchina, auf der anderen Seite die autonom verwalteten Sonderverwaltungsregionen.
Auch wenn Macau bis heute mehr Freiheiten genießt als die meisten Teile Chinas, ist der Einfluss der chinesischen Zentralregierung doch groß. Im Gegensatz zu Hongkong, das nach der Übergabe an China immer wieder mit Protesten international Aufsehen erregt hat, blieb es in Macau jedoch still.
Noch vor der Übergabe war der Einfluss der Volksrepublik auf Macau größer als auf Hongkong. Die meisten Menschen in Macau haben sich mit der Zugehörigkeit zu China arrangiert und identifizieren sich laut Umfragen als Chinesen.
"Macau hat profitiert, Hongkong stagniert"
Si Wun Cing erklärt das auch damit, dass sich in Macau nach der Übergabe wirtschaftlich vieles verbessert habe. "Macau war immer ein Ort, der klein und unscheinbar wirkte, während Hongkong bereits ein Finanzzentrum war. Macau hat wahrscheinlich von der Übergabe profitiert, während Hongkong eher stagniert."
Tatsächlich legte Macau nach der Übergabe einen Wirtschaftsboom hin, vor allem durch die 2003 eingeführte Glücksspielindustrie. An keinem anderen Ort in China sind Spielcasinos erlaubt. Die Stadt ist dadurch reich geworden, international bekannt als das "Las Vegas Chinas".
Wie sich die Stadt verändert hat, zeigt Si Wun Cing heute als Kuratorin einer Ausstellung mit Fotos von vor 25 Jahren und von heute. Viele Bilder von früher zeigen karge Landschaften im Hintergrund oder das Meer. Heute stehen dort Wolkenkratzer.
Das portugiesische Erbe schwindet
Um mehr Bauland zu schaffen für Wohnungen und Kasinos, wurden ganze Stadtteile im Meer aufgeschüttet. Sie machen heute zwei Drittel des Stadtgebiets aus. "Früher gab es nicht viele Gebäude. Die, die da waren, waren oft stark portugiesisch geprägt, hatten ein koloniales Flair und waren einzigartig", sagt Si Wun Cing. "Auch wenn einige dieser Gebäude abgerissen wurden oder verloren gegangen sind, können wir die Erinnerungen mit Hilfe von Fotos wieder aufleben lassen."
Den wenigen Portugiesen, die heute noch in Macau leben, reichen Fotos zur Erinnerung nicht. 2005 wurde zwar die historische Altstadt von Macau zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, doch über die Jahre hinweg wurde die Befürchtung größer, dass die portugiesische Kultur schwindet.
"Wir haben viele Denkmäler in Portugal mit jahrhundertealten Kacheln, und die bleiben so, wie sie sind, sehr gut erhalten", sagt Amélia António. "Aber hier in Macau werden manche nach einer gewissen Zeit verschwinden, weil es immer mehr Kopien gibt, die nicht nach der alten Handwerkskunst gefertigt werden."
"Die Leute schauen nur aufs Geld"
Für die Portugiesin António ist Macau ihre Heimat, seit Jahrzehnten lebt sie hier. Als Vorsitzende der Organisation "Casa de Portugal" will sie die portugiesische Kultur bewahren. Die Organisation bietet zum Beispiel Workshops an, in denen das Handwerk der portugiesischen Fliesenmalerei gelehrt wird.
"Ich denke, das Problem ist, dass Macau mit der Zeit seine Identität verlieren wird. Die Leute schauen nur darauf, wie viel Geld sie verdienen können. Und dann fühlen sie nichts mehr für Macau", sagt António.
Nach der Übergabe an China haben viele Portugiesen Macau verlassen. "Casa de Portugal" zählt heute nach eigenen Angaben 1.700 Mitglieder. António geht davon aus, dass viele davon nicht mehr in Macau leben. Neben Hochchinesisch und Kantonesisch ist auch Portugiesisch noch heute Amtssprache in Macau.