Myanmar "Der Widerstand hat gerade die Oberhand"
Vor drei Jahren putschte sich das Militär in Myanmar an die Macht. Doch der bewaffnete Widerstand wächst. Auch in den Reihen der Junta schwindet der Rückhalt.
Ma Ei steht in einem kahlen Raum mit unverputzten Wänden. Die Textilarbeiterin aus Myanmar ist mit ihrer Tochter und ihrem Mann ins Nachbarland Thailand geflohen - vor der Gewalt des Militärs.
"Ich vermisse mein Zuhause, vor allem am Abend. Hier ist es nicht das Gleiche", sagt sie. Ihr rollen Tränen die Wange herunter. Ma Ei ist eine von mehr als zwei Millionen Burmesen, die seit dem Putsch des Militärs vor drei Jahren aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Tausende Menschen wurden getötet, darunter etwa 1.600 Zivilisten und etwa 20.000 politische Gegangene sitzen nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) bis heute im Gefängnis.
Von Freunden und Verwandten, die noch im Land wohnen, hört Ma Ei grausame Nachrichten: von Folter, Gewalt, willkürlichen Verhaftungen durch das Militär. Sie schaut regelmäßig Nachrichten von Exil-Medien auf ihrem Handy. Die Wirtschaft in Myanmar ist am Taumeln, die Arbeitslosigkeit hoch. Das Geld reiche nicht mehr für nötige Lebensmittel wie Reis oder Öl. Mehr als jeder Dritte in Myanmar ist auf humanitäre Hilfe angewiesen, schätzen die UN.
Oppositionskräfte kämpfen gegen Junta
Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht von einer humanitären Katastrophe. "Wir sind nun im dritten Jahr nach dem Militärputsch. Es ist Zeit, dass die internationale Gemeinschaft sich nicht mehr zurücklehnt. Die EU und andere müssen sich stärker einmischen", fordert er.
Die dramatische Lage in Myanmar hat sich seit dem vergangenen Oktober nochmals verschärft. Bewaffnete Oppositionskräfte haben eine koordinierte Offensive gegen das Militärregime gestartet. Seitdem haben sie mehrere Städte und Grenzübergänge zu Indien und China unter ihre Kontrolle gebracht.
Ein Kommandeur der Oppositionskämpfer erklärt gegenüber der Nachrichtenagentur AFP: "Wir kämpfen in dieser Revolution nicht, um reich zu werden. Sondern für ein besseres Myanmar. Wir sind entschlossen und haben keine Angst. Selbst wenn die Kampfjets kommen, machen wir inzwischen Witze, dass sie nur fliegen, weil sie zu viel Sprit übrig haben."
Militär fliegt wahllos Luftangriffe
Die Realität ist: Die Bevölkerung ist den Luftangriffen des myanmarischen Militärs schutzlos ausgeliefert. Seitdem die Junta einen Rückschlag nach dem anderen erlebt, bombardiert sie zunehmend wahllos Dörfer aus der Luft. Immer wieder sterben unschuldige Zivilisten.
Laut den Ermittlungen einer UN-Untersuchungsgruppe für Myanmar kam es seit dem Putsch 2021 zu Massentötungen von Gefangenen, der Zerstückelung und Schändung von Leichen, Vergewaltigungen.
Junta "steht so schwach da wie seit Jahrzehnten nicht"
Dennoch haben die bewaffneten Oppositionskämpfer dank koordinierter Angriffe inzwischen über mehrere Landesteile die Kontrolle gewonnen. Das Militär stehe so schwach da wie seit Jahrzehnten nicht, sagt Professor Thitinan Pongsudhirak von der Chulalongkorn Universität in Thailand. "Der Bürgerkrieg in Myanmar ist für die Militärjunta nicht mehr zu gewinnen", sagt er. Es gehe für das Militär jetzt darum, "einige Städte zu halten, einige schwerere Waffen, Artillerie und Luftangriffe einzusetzen, um Zeit zu gewinnen".
Die Junta verliere täglich Truppen, bekomme aber "keine neuen Rekruten, keine Verstärkung und keinen Nachschub", so Pongsudhirak weiter: "Also sind die Truppen nicht mehr bereit, Patrouillen zu fahren, sie könnten in einen Hinterhalt geraten. Der Widerstand hat gerade die Oberhand."
Wachsende Unzufriedenheit in den Reihen des Militärs
Der Sicherheitsexperte Richard Horsey von der Crisis Group ist da deutlich skeptischer. Doch auch er sagt: "Das Militär steht mit dem Rücken zur Wand. Sie wissen, dass der einzige Ausweg für sie darin besteht, weiterzukämpfen, und sie werden dies mit großer Entschlossenheit tun." Eine Niederlage des Militärs sei keinesfalls sicher, aber sie sei wahrscheinlicher als jemals zuvor, seit vielen Jahrzehnten.
Die Unzufriedenheit im Militär wächst, Soldaten desertieren, die Kritik am Junta-Chef Min Aung Hlaing wird lauter. Inzwischen wird sogar in den eigenen Reihen über seine Ablösung diskutiert. Ob der Junta-Chef nicht besser durch seinen Vize ersetzt werden sollte?
Freie Wahlen wohl in weiter Ferne
Am politischen Kurs würde dies vermutlich wenig ändern. Die Junta betont immer wieder, sie müsse das Land von "Terroristen" befreien, wie sie die Widerstandskämpfer nennt. Bevor das nicht geschafft sei, könne es auch nicht die versprochenen Wahlen geben.
"Ich denke das Wort Wahl muss man im Kontext des jetzigen Regimes immer in Anführungszeichen setzen", sagt Jasmin Lorch, Politikwissenschaftlerin am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit. Das eigentliche Ziel des Militärs sei es, "sich selbst in der eigenen Machtpositionen zu legitimieren", um dann "irgendwie zu einer Form scheinbar ziviler Herrschaft überzugehen, während im Grunde das Militär selbst die Fäden in den Händen behalten will".
Junta verlängert Ausnahmezustand
Zum Jahrestag hat das Militär erneut den Ausnahmezustand um sechs Monate verlängert. Mögliche Wahlen werden sich damit weiter verzögern. Die USA reagierten mit weiteren Sanktionen gegen Mitglieder des Militärs. Damit soll vor allem der Nachschub an Flugbenzin für die Kampfjets erschwert werden, ebenso wie die inländische Waffenproduktion.
Der Textilarbeiterin Ma Ei in Thailand gibt die aktuelle Entwicklung in ihrer Heimat Hoffnung: "Ich war ziemlich deprimiert, dass ich vielleicht erst in 10 oder 15 Jahren nach Myanmar zurückkehren kann. Aber wegen der Erfolge der Opposition - vielleicht klappt es doch schon in ein paar Monaten?"
So optimistisch sind die meisten Beobachter nicht. Aber Myanmar steht drei Jahre nach dem Militärputsch an einem entscheidenden Wendepunkt.