Proteste in Myanmar "Mit der falschen Generation angelegt"
Nach dem Putsch in Myanmar gehen die Proteste gegen das Militär weiter. Trotz Internetsperre organisierten sich Zehntausende und gingen auf die Straße - in Rot gekleidet, der Farbe des Widerstands.
Nach einigen Tagen der Proteste gegen das Militär von zu Hause sind die Menschen in Myanmar erneut auf die Straße gegangen. Am Balkon auf Töpfe zu schlagen genügt ihnen nicht mehr. Zehntausende marschieren bereits den zweiten Tag in Folge durch Yangon, die größte Stadt Myanmars. Dabei skandieren sie: "Lang lebe Mutter Suu!" oder "Nieder mit der Militärdiktatur!"
Rot gekleidete Demonstranten lassen rote Ballons steigen, Mönche halten Tafeln hoch, darauf ein rot gedruckter Dreifingergruß. Rot - die Farbe des Widerstands und von Aung San Suu Kyis Partei NLD. Auch Passanten winken, jubeln, erheben die Hand zum Dreifingergruß. Es ist das Zeichen des Widerstands, das die Filmreihe "Die Tribute von Panem" berühmt gemacht hat. Auch in Thailand haben sie bei Demonstrationen drei Finger gereckt, in Myanmar tun sie es jetzt auch.
Soziale Netzwerke lahmgelegt
Ein junger Mann mit roter Maske der Nationalen Liga für Demokratie erzählt einem Reporter der Agentur Reuters: "Seit das Militär das Internet gekappt hat, wissen wir nicht genau, was in Myanmar vor sich geht. Darum sind die Menschen auf der Straße. Aber sie tun es friedlich. Niemand gebraucht Gewalt. Bitte helft uns, denkt an unser Land."
Gestern hatte die Junta die Internetverbindungen fast im ganzen Land unterbrechen lassen. Davor hatte sie schon Facebook, dann Twitter und Instagram lahmlegen lassen. Denn über all diese Wege hatten sich die Proteste organisiert, das allabendliche Töpfeschlagen, die Kampagnen zum zivilen Ungehorsam von Medizinern, Lehrern, Professoren, Eisenbahnern, Flugbegleitern, Beamten, das Ballonfliegenlassen.
"Nächste Generation verlässt sich auf uns"
Doch nun gehen sie auf die Straße. Denn sie lehnen den Putsch ab, aus tiefstem Herzen und aus tiefster Not: "Wir Arbeiterinnen führen sowieso schon harte Leben. Dann kam Covid-19. Und als wir gerade wieder Hoffnung hatten, wieder arbeiten zu können, kam der 1. Februar, der Tag unserer Traurigkeit, der Tag des Putsches", erzählt eine junge Frau der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber wir sind nicht allein. Die nächste Generation verlässt sich auf uns. Und wir wissen, dass niemand in unser Land investieren wird, wenn es eine Militärdiktatur bleibt. Also schließen wir uns der Revolution gegen den Putsch an", schildert die Frau weiter.
Die Demonstranten singen, halten Lichter und vor allem Bilder von Aung San Suu Kyi in die Höhe - hinter Gittern oder mit Friedenstaube in der Hand. Manche tragen ein durchgestrichenes Porträt des Machthabers Min Aung Hlaing mit sich. Dieses haben einige rituell verbrannt.
Knapp eine Woche nach dem Putsch in Myanmar nehmen die landesweiten Proteste gegen das Militär immer weiter zu.
Wand mit Protest-Botschaften in Yangon
Eine so genannte Lennon Wall ist in Yangon aufgetaucht. Ein Ort, an dem jeder bunte Post-its mit Botschaften hinterlassen kann. Die meisten auf Englisch, damit sie international über die sozialen Medien Verbreitung finden mögen. Neben "Rettet Myanmar" scheint ein Spruch besonders passend zu sein: "You messed with the wrong generation - Ihr habt euch mit der falschen Generation angelegt".
Diese Generation scheint einfallsreich. Sie umgeht Verbote, findet Wege, technisch und organisatorisch, um die Proteste weiterzuführen. Und sie will ihre Zukunft nicht an die Vergangenheit verlieren.