Verhandlungen in Nahost "Die Feuerpause ist ein ferner Traum"
In Israel ist die Hoffnung groß, dass die wieder anlaufenden Gespräche über einen Geiseldeal den Durchbruch bringen. Von Menschen im Gazastreifen hört man derzeit eher, eine Feuerpause sei "ein ferner Traum."
Heba Radi sitzt an einem improvisierten Ofen - es sind nur ein paar verrostete Bleche über einem offenen Feuer. Hier backt sie ihr Brot. Ihre Hände sind schwarz vom Ruß. Die sechsfache Mutter lebt mit ihrer Familie im Zelt. Fünf Mal musste sie sich seit Beginn des Krieges schon eine neue Unterkunft suchen.
"Jeden Tag sagen wir uns: Morgen kommt eine Feuerpause. Morgen wird es besser. Und dann heißt es wieder: alles verschoben. Eine Feuerpause ist ein Traum geworden, ein ferner Traum." Wie Radi der Nachrichtenagentur AP sagt, ist das Leben zehn Mal so teuer geworden wie vor dem Krieg.
Woher sie Mehl bekommen oder sauberes Wasser - das sind die Fragen, die viele Menschen in Gaza umtreiben. Das alltägliche Überleben ist wichtiger als Politik und Verhandlungsrunden.
"Wir haben keine Hoffnung mehr"
Von denen erwarten wohl die Wenigsten noch etwas - so wie Ahmed Bakeir: "Vom ersten Monat des Krieges an warten wir jeden Tag auf Verhandlungen. Nach zwei oder drei Wochen sagen sie dann aber: Sie sind gescheitert. Wir haben keine Hoffnung mehr."
Bakeir berichtet, dass er beim letzten Mal schon seine Sachen gepackt hatte, um nach Hause zurückzugehen, nach Gaza-Stadt. Doch dann scheiterten die Verhandlungen über eine Feuerpause erneut. Deshalb lebt er weiter in einem Zelt.
Die Zerstörungen im Gazastreifen sind immens. Fernsehbilder aus Rafah im Süden zeigen menschenleere Trümmerlandschaften, zerbombte Wohngebäude und Geschäfte. Eine graue Schicht aus Staub und Schutt überzieht praktisch alles.
Rafah-Offensive als Wendepunkt?
Sind es diese Zerstörung und der militärische Druck der israelischen Armee, weshalb die Verhandlungen über eine Feuerpause und die Freilassung der Geiseln jetzt wieder in Gang kommen? Das denkt zumindest der Nahostexperte Uzi Rabi von der Universität Tel Aviv.
"Die Hamas hat sich auf die Stimmen gegen eine Rafah-Offensive verlassen. Selbst hier in Israel gab es Stimmen, die sagten, man könne auf Rafah verzichten. Auch die Amerikaner sagten das", erklärt er. "Aber Israel bestand darauf. Rafah war der Tiebreak, den Hamas verloren hat."
Die Hamas hatte in der vergangenen Woche eine ihrer Bedingungen für die Gespräche über ein Abkommen fallen lassen: Israel müsse sofort alle Kämpfe einstellen. Warum sie von dieser Forderung abgerückt ist, wie internationale Medien berichten, sagt sie nicht.
Hamas-Anführer geben sich weiter kämpferisch
Die Medien spekulieren, dass die Zerstörungen in Gaza und die Verluste der Hamas eine Rolle spielen. Interne Kommunikation der Terrororganisation zeigt demnach, dass Hamas-Anführer aus Gaza ihre politische Führung in Katar drängen, einer Feuerpause zuzustimmen.
Öffentlich will die Hamas davon nichts wissen. Der Sprecher des bewaffneten Flügels der Terrororganisation, Abu Obeida, behauptet, die militärischen Fähigkeiten seien weiter stark: "Während des Krieges ist es uns gelungen, Tausende neuer Kämpfer zu rekrutieren. Und Tausende mehr sind bereit und hoch motiviert, zu uns zukommen, wann immer es nötig ist."
Die israelische Armee hat ihren Druck auf die radikalen Palästinenser zuletzt mit einem Vorrücken in verschiedenen Vierteln in Gaza-Stadt nochmal erhöht. Die Hamas warnt, dass das die neue Verhandlungsrunde über eine Freilassung der Geiseln und eine Feuerpause gefährdet. Für die Menschen in Gaza wäre ein Scheitern eine weitere Enttäuschung.