An einem Baum in Tel Aviv hängen Bilder einiger der von der Hamas entführten Israelis

Gaza-Abkommen Streit über Details stellt Zeitplan in Frage

Stand: 16.01.2025 18:26 Uhr

Am Sonntag soll die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas in Kraft treten. Ob das zu halten ist, ist unklar. Strittig sind offenbar vor allem Details des Geiseldeals - unter anderem Israels Vetorecht.

Nach der Freude über die Einigung kommt die Hängepartie. Nachdem gestern schon die Einzelheiten verkündet wurden und der alte und neue US-Präsident sowie weitere politische Führer aus der ganzen Welt gratuliert hatten, ist unklar, wie es weitergeht. Was sich nicht verändert hat, sind die gegenseitigen Schuldzuschreibungen, wer dafür verantwortlich ist.

Israel sieht die Schuld bei der Hamas, so sagte es Regierungssprecher David Mencer: "Heute Morgen hat das Büro des Premierministers klargestellt, dass die Hamas den Geiseldeal verleugnet und im letzten Moment für eine Krise gesorgt hat, um letzte Zugeständnisse zu erreichen", so der Sprecher von Premierminister Benjamin Netanjahu. Deshalb könne das Kabinett diesem Deal nicht zustimmen. "Nicht bevor die Verhandler Israel mitteilen, dass die Hamas die gesamte Vereinbarung akzeptiert hat, über die es schon Einigkeit gab."

Hamas lehnt offenbar Vetorecht Israels ab

Die Reaktion der Hamas kam prompt und von mehreren Vertretern der Terrororganisation. Nein, die Hamas stehe dem Deal nicht im Weg, hieß es zum Beispiel von Izzat El-Reshiq, einem hochrangingen Vertreter, der sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters in der katarischen Hauptstadt Doha äußerte.

Die Hamas stehe zu dem, was vereinbart worden sei - und zur Waffenstillstandsvereinbarung, die von den Unterhändlern verkündet wurde. "Nichts wurde hinzugefügt. Ich hoffe, dass diese Statements von Netanjahu nicht ein Versuch sind, sich seiner Verantwortung für Waffenruhe zu entziehen", so der Hamas-Vertreter.

Eigentlich sollte das israelische Kabinett schon am Morgen der Einigung zustimmen, die dann am Sonntag in Kraft treten sollte. Inzwischen ist nicht klar, ob der Zeitplan noch zu halten ist. Beobachtern zufolge geht es unter anderem um die palästinensischen Häftlinge in israelischen Gefängnissen, die - wie 33 Geiseln - freikommen sollen. So soll die Hamas das Veto Israels ablehnen, das das Land bei der Freilassung bestimmter palästinensischer Gefangener fordert.

"Und was ist mit den anderen Verschleppten?"

Doch auch innenpolitisch gibt es in Israel immer lauter werdende kritische Stimmen: Bezalel Smotrich beispielsweise, Israels rechtsextremer Finanzminister, hat mit einem Bruch der Koalition gedroht, sollte der Krieg in Gaza enden. Smotrich er hält den Deal für ein Sicherheitsrisiko für sein Land.

Unterstützer dieser Position waren heute in Jerusalem auf der Straße, wie beispielsweise Hodaya Minke, die demonstriert hat. Das sei einer der schlimmsten Momente in der Geschichte Israels, sagt sie. "Nicht nur, weil wir den Krieg beenden, nicht nur, weil wir Tausend Terroristen freilassen, die nichts anderes wollen, als uns zu töten. Sondern wir bekommen nur 30 Geiseln und wir wissen nicht, in welchem Zustand sie sind. Und was ist mit den anderen Verschleppten?"

"Nicht das Ende des Krieges"

Vor allem die ganz große Frage ist noch unklar: Gibt es eine Chance, dass aus der Waffenruhe ein dauerhafter Waffenstillstand wird - bis hin zum Wiederaufbau des Gazastreifens? Das lehnen nicht nur ein Teil der Israelis und Teile der Regierung ab, sondern auch Sicherheitsexperten wie Amir Avivi.

"Dieser Deal ist nicht das Ende des Krieges", sagt Avivi, ein ehemaliger General. Israel habe sehr klare Ziele: die Zerstörung der Hamas als Verwaltung und militärische Kraft und alle Geiseln zurückzubringen. "Jetzt bekommen wir nur einen Teil." Außerdem wolle Israel sicherstellen, "dass es nie wieder eine Terror-Armee in Gaza geben wird". Das sei ein langer Krieg in Gaza, Israel werde viele Jahre damit umgehen müssen. "Das jetzt ist nur ein Schritt, in dem Israel das Ziel, die Geiseln nach Hause zu bringen, priorisiert."

Die Hamas will dagegen sicherstellen, dass der Krieg in Gaza endet und Israels Truppen sich zurückziehen. Stattdessen gab es in den letzten Stunden vor einer möglichen Waffenruhe noch einmal heftige Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Ziele im Gazastreifen mit Dutzenden Toten. Die Hoffnung vieler Menschen dort, die gestern Abend noch jubelnd auf den Straßen waren, war möglicherweise verfrüht.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 16.01.2025 17:36 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Januar 2025 um 18:11 Uhr.