Sprachnachricht aus dem Gazastreifen "Ich sehe keine Zukunft"
Tag für Tag zielt das israelische Militär auf die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen - und trifft dabei auch viele Zivilisten. Mittendrin ist ARD-Mitarbeiter Mohammad Abu Saif. Eine Zukunft sehe er nicht, nur noch "Zerstörung, Trümmer und Leichen".
"Hello everyone", meldet sich Mohammad - unser Mitarbeiter im Gazastreifen. Seine Sprachnachrichten klingen von mal zu mal verzweifelter. Wenn er spricht, macht er längere Pausen, atmet immer wieder tief durch. "Ich bin irgendwie okay. Ich versuche es", sagt er. "Aber ich mache die schwierigste Zeit meines Lebens durch. Meine Familie und ich sind getrennt. Ich kann sie nicht mehr sehen."
Der 31-Jährige hat im Krieg schon viele Familienmitglieder und Freunde verloren. Jetzt hat er sich allein zu einem Krankenhaus in der Mitte des Gazastreifens durchgeschlagen, so wie Tausende andere Palästinenser. In der Nähe der Krankenhäuser fühlen sie sich etwas sicherer. Dort kommen ab und zu Hilfsgüter an.
Mohammad Abu Saif arbeitet für die ARD im Gazastreifen.
Zwischen Drohnenlärm und Alarmsirenen
"Ich schlafe in meinem Auto, aber die Situation ist schwierig", erzählt Mohammad. Er habe nicht mehr als eine Stunde geschlafen, "wegen der Einschläge, der Geräusche der Krankenwagen - und wegen der Geräusche der Menschen, die die ganze Zeit zum Krankenhaus kommen."
Im Hintergrund sind Drohnen zu hören. Sie gehören für die Menschen im Gazastreifen zum Alltag. Doch vielen macht das Geräusch Angst. Der nächste Angriff könnte kurz bevorstehen.
Gesundheitsbehörde meldet Hunderte Tote
Aktuell konzentriert die israelische Armee ihre Angriffe auf die Mitte und den Süden des Küstenstreifens. In den vergangenen Stunden waren es nach Angaben des Militärs etwa 200.
Die Armee zielt dabei auf die Terrororganisation Hamas - doch die radikalen Kämpfer sind in Wohngebieten unterwegs, an Krankenhäusern und Schulen. Deshalb gibt es immer wieder viele tote Zivilisten. Allein über die Weihnachtsfeiertage sollen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde etwa 850 Menschen getötet worden sein.
Mehrere Männer bergen eine Leiche aus Trümmern im Flüchtlingslager Maghazi.
Kein baldiges Ende in Sicht
Israels Generalstabschef Herzi Halevi beschreibt den Einsatz als "komplex". "Deshalb wird der Krieg viele weitere Monate dauern. Wir werden verschiedene Methoden anwenden, um das Erreichte lange Zeit zu halten." Armee und Regierung betonten in den vergangenen Tagen immer wieder: Der Krieg geht weiter, bis die mehr als Hundert Geiseln frei sind und die Hamas zerstört ist.
Danach sieht es noch lange nicht aus. Auch heute feuerten radikale Palästinenser Raketen auf Israel ab. Ein schneller Strategiewechsel der israelischen Armee hin zu einem gezielteren Vorgehen gegen die Hamas oder gar ein baldiges Ende der Kämpfe zeichnet sich nicht ab.
"Nur Zerstörung, Trümmer, Leichen"
Im Hintergrund versuchen Ägypten, Katar und die US-Regierung ein weiteres Abkommen zu vermitteln über eine Feuerpause und die Freilassung einiger Geiseln. Doch spruchreife Ergebnisse sind bisher nicht zu erkennen.
Für die Menschen in Gaza sind Feuerpausen und Friedenspläne weit weg. Sie sind in einem täglichen Überlebenskampf - so wie Mohammad. "Ich sehe keine Zukunft. Ich sehe nur Zerstörung, Trümmer, Leichen und höre Schreie", sagt er. "Ich stehe gerade vor mehr als 20 Leichen."
Sein einziger Wunsch sei, dass dieser Krieg aufhört. Er wolle raus aus Gaza, denn er habe alles verloren. Was bleibt, ist die Hoffnung auf bessere Tage. Hoffnung auf eine friedliche Zukunft für seine Familie und seine Kinder.