Weniger Hilfe für Gazastreifen "Wir haben keine andere Wahl"
Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, UNRWA, hat die Lieferungen in den Gazastreifen über eine wichtige Route eingestellt. Der Grund: Plünderungen und Diebstähle. Die Folge sind weniger Hilfen für die Menschen.
Al-Mawasi im Süden des Gazastreifens. Ein Video zeigt, wie Hunderte Menschen vor einer Essensausgabe warten. Mit Töpfen und Schüsseln in der Hand rangeln sie um eine Portion Getreide. Szenen wie diese sind nicht selten. Die Vereinten Nationen berichten von zwei tödlichen Zwischenfällen in den vergangenen Wochen an Bäckereien. Und jetzt könnte es noch schlimmer kommen. Denn das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA wird erst einmal keine Hilfslieferungen über den Grenzübergang Kerem Schalom in den Gazastreifen bringen.
Fahrer sind in Gefahr
"Wir haben einen Punkt erreicht, an dem es keinen Sinn mehr macht, weiter Hilfsgüter zu transportieren, wenn die nur geplündert werden", sagt Scott Anderson, Direktor des Hilfswerks in Gaza. Die Gesundheit und das Leben der Fahrer werde gefährdet. "Wir müssen also eine Pause machen. Wir haben keine andere Wahl. So ist die Realität hier."
Laut Anderson sind im Süden des Gazastreifens Familien zu Plünderern geworden. In den vergangenen Wochen seien 110 von knapp 120 Lastwagen nicht angekommen. Niemand hält sie auf. Es gibt keine Polizei, die man rufen kann.
Appell an Israel
UNRWA-Direktor Anderson appelliert an die israelischen Behörden, die auch den Zugang zum kompletten Gazastreifen kontrollieren. Denn Israel sei die einzige Macht in Gaza, die das notwendige Umfeld für Hilfslieferungen schaffen könne. "Und das wurde ihnen klargemacht. Und sie haben sich aktiv an den Bemühungen beteiligt, Lösungen für die Herausforderungen zu finden", sagt er.
Die wirkungsvollste Lösung wäre eine Waffenruhe - so wie im Libanon. In den vergangenen Tagen scheint wieder etwas Bewegung gekommen zu sein in die indirekten Verhandlungen mit Israel und der Hamas. Auch auf Druck der scheidenden US-Regierung.
Lastwagen wie diese werden immer wieder überfallen und geplündert.
Israelische Regierung ist sich nicht einig
In Israel bleibt die Regierung aber gespalten, was eine Einigung angeht. Diaspora-Minister Amichai Shikli zeigt sich im israelischen Radio offen dafür, den Krieg zu unterbrechen. "Die Hamas ist militärisch sehr geschwächt. Wir müssen sicherstellen, dass sie nicht zu alter Stärke zurückkommt. Aber wir können in einen anderen Modus übergehen. Mit regulären Sicherheitsmaßnahmen wie im Westjordanland." Dort werde auch nicht vom Krieg gesprochen, sondern es werde "je nach Bedarf" eingegriffen.
Shikli ist Mitglied der Likud-Partei von Premierminister Benjamin Netanyahu. Doch dieser hat in seiner Koalition auch erbitterte Gegner einer Vereinbarung mit der Hamas. Dazu zählt der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich. Der sagt, dass die Zerstörung der Hamas zu den Kriegszielen gehöre. "Sie kann also kein Abkommen schließen. Wer jetzt fordert, dass wir den Krieg anhalten und kapitulieren, macht das, was die Hamas will. Deshalb hat sie Geiseln genommen, damit wir kapitulieren, auf die Knie gehen und die Hamas im Gazastreifen an der Macht lassen."
Geisel-Angehörige demonstrieren weiter
Die Familien der israelischen Geiseln hoffen, dass sich Regierungschef Netanyahu über solche Bedenken hinwegsetzt. Am Wochenende haben sie wieder für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln und eine Feuerpause in Gaza demonstriert.
Auf die setzt auch das UN-Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser. Es warnt vor einer Hungersnot im Süden des Gazastreifens. Wie lange es die Hilfslieferungen über den Grenzübergang Kerem Schalom aussetzen muss, ist offen.