Palästinenser stehen während einer israelischen Militäroperation in Khan Younis vor ihrer Behelfsunterkunft

Israels Armee Evakuierung für Teile von Chan Yunis angeordnet

Stand: 27.07.2024 11:20 Uhr

Das zweite Mal binnen einer Woche hat Israels Armee in Teilen von Chan Yunis eine Evakuierung angeordnet. Das Gebiet liegt eigentlich in der humanitären Schutzzone. Laut Israel sollen sich dort aber inzwischen Hamas-Kämpfer befinden.

Per SMS, Sprachanrufen, Videobotschaften und abgeworfener Flugblätter haben die israelischen Streitkräfte am Morgen Menschen im Süden von Chan Yunis zum Verlassen der betroffenen Stadtteile aufgefordert. Der Verbleib in diesen Gebieten sei "wegen beträchtlicher terroristischer Aktivitäten und Raketenfeuers auf den Staat Israel aus den südlichen Gebieten von Chan Yunis" gefährlich geworden, hieß es in einer Mitteilung der Armee.

Der Evakuierungsbefehl beruhe auf "nachrichtendienstlichen Erkenntnissen", wonach die Hamas über "terroristische Infrastruktur" in einem Gebiet verfüge, das als "humanitäre Zone" definiert sei. Der Aufruf zur Evakuierung sei über viele Kanäle erfolgt, um die Gefahr für die Zivilbevölkerung zu verringern.

Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, dass die israelischen Streitkräfte nach der letzten Evakuierungsaufforderung innerhalb weniger Minuten nach der Warnung ihre Kampfhandlungen aufgenommen hätten.

Kein Platz mehr für Flüchtlingszelte

Das zu räumende Gebiet liegt in einer von Israel deklarierten, 60 Quadratkilometer großen humanitären Zone. Die Grenzen dieser Zone würden entsprechend geändert, hieß es in der Armeemitteilung weiter. 

Die Menschen sollten sich "vorübergehend in das angepasste humanitäre Gebiet in Al-Mawasi" begeben, erklärte die Armee. Dort sei, so berichten internationale Hilfsorganisationen, nicht einmal mehr Platz, um ein einziges Zelt aufzustellen. Nach israelischen Schätzungen sind auf dem Gebiet der humanitären Zone etwa 1,8 Millionen Palästinenser untergebracht. Das ist deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens von 2,3 Millionen.

Bereits vergangene Woche war die Evakuierung der östlichen Stadtteile von Chan Yunis angeordnet worden, sowie von Gebieten in Deir al Balah, in der Mitte des Gazastreifens. Rund 180.000 Palästinenser seien daraufhin innerhalb von vier Tagen geflohen, wie die Vereinten Nationen gestern mitteilten.

Verhandlungen über Waffenruhe in Rom

Um den Konflikt Israel und der Hamas möglichst rasch zu beenden, sollen am Sonntag die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln einem Medienbericht zufolge in Rom weitergehen.

Der Direktor des US-Geheimdienstes CIA, William Burns, werde sich dort mit israelischen, katarischen und ägyptischen Verhandlern treffen, berichtete der israelische Journalist Barak Ravid im US-Portal "Axios" unter Berufung auf israelische und amerikanische Regierungsbeamte.

Die USA, Katar und Ägypten vermitteln bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Diese laufen seit Monaten, bislang ohne greifbare Ergebnisse. Im Mittelpunkt steht ein Plan von US-Präsident Joe Biden aus dem Mai, der eine mehrstufige Lösung vorsieht. Sie soll zum Austausch von Hamas-Geiseln gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen, zu einem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und einer dauerhaften Waffenruhe führen. 

Netanyahus Absichten unklar

Zuletzt erhob Israels Premier Benjamin Netanyahu zusätzliche Forderungen, die auf eine längere Präsenz israelischer Truppen an strategischen Stellen des abgeriegelten Küstengebiets abzielen. Die Hamas lehnt dies ab. Nach Ansicht der Vermittler, aber auch israelischer Verhandlungsteilnehmer, stellen Netanyahus Zusatzforderungen ein schwer überwindbares Hindernis für eine Einigung dar. 

Eine solche läge ansonsten in Reichweite, betonen vor allem die US-Vermittler. Netanyahu hatte am Donnerstag in Washington US-Präsident Biden getroffen. Dieser hatte seinen Gast zu einem raschen Gaza-Abkommen gedrängt. Aber selbst nach der dreistündigen Unterredung im Weißen Haus sei für Biden und seine Berater unklar geblieben, ob Netanyahu überhaupt ein Abkommen wolle, schrieb Ravid auf "Axios" - oder ob Netanyahu es hinauszögere, um das Platzen seiner Regierungskoalition mit rechtsextremen Parteien zu vermeiden.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten.


Mit Informationen von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Tel Aviv

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 27. Juli 2024 um 10:08 Uhr.