Grenzübergang Rafah Gedämpfte Freude über den Abschied aus Gaza
Nur wenige Tausend Menschen mit ausländischen Pässen dürfen Gaza nach Ägypten verlassen. Viele haben mehrere Versuche hinter sich - aber dass es jetzt klappt, hinterlässt bei manchen zwiespältige Gefühle.
Dicht gedrängt stehen Dutzende Menschen in Räumen der ägyptischen Grenzbehörden. Sie warten, während ägyptische Beamte in Uniformen hinter einer Scheibe ihre Pässe kontrollieren, Daten aufnehmen und Einreisestempel auf die Passseiten drücken.
"Endlich haben wir die Möglichkeit bekommen, Gaza zu verlassen", sagt Susan Psiso. "Das ist jetzt schon das fünfte Mal, dass ich versuche rauszukommen. Vor 19 Tagen mussten wir unser Haus verlassen", berichtet die Palästinenserin mit US-Staatsbürgerschaft der Nachrichtenagentur Reuters am Grenzübergang Rafah.
Hunderte Menschen mit ausländischem Pass und doppelter Staatsbürgerschaft haben den Gazastreifen schon nach Ägypten verlassen. Hisham Adwan, der Sprecher des Grenzübergangs auf palästinensischer Seite, sagt der Nachrichtenagentur AFP: "Es ist jetzt schon der zweite Tag, an dem Rafah für Zivilisten mit ausländischem Pass geöffnet ist. Insgesamt haben wir eine Liste mit etwa 500 Namen bekommen, die nach Ägypten ausreisen dürfen."
"Seit fast drei Wochen warte ich"
Viele waren in den vergangenen Wochen immer wieder an den Grenzübergang gekommen, durften aber wegen Unstimmigkeiten zwischen Ägypten, Israel und der Hamas nicht ausreisen.
"Ich war hier, als sie den Grenzübergang bombardiert haben. Seit fast drei Wochen warte ich - wir sind hier in der Hölle": Emotional beschreibt eine Ägypterin dem Fernsehsender al Hadath die Situation. "Ich habe den Tod mit eigenen Augen gesehen. Das Haus, wo wir untergekommen sind, wurde bombardiert." Jetzt sitze sie mit ihrer Tochter auf der Straße. Manche Ausländer dürften durch - sie aber nicht.
Tausende Menschen wollen raus
Rund 7.000 ausländische Staatsangehörige warten nach Angaben Ägyptens noch auf eine Ausreise - viele von ihnen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Der jetzige Austausch wurde Medienberichten zufolge durch die Vermittlung Katars ermöglicht.
"Vor sieben Monaten bin ich nach Gaza gekommen, um den Ramadan mit meiner Familie verbringen zu können", sagt die US-Bürgerin Psiso. Eigentlich hätte sie zwei Tage nach dem Beginn des Kriegs ausreisen sollen. "Aber ich konnte meine Familie einfach nicht allein lassen. Und so bin ich in Gaza geblieben. Aber der Krieg ist schnell eskaliert. Es sterben so viele Menschen und viele sind immer noch unter den Trümmern begraben."
Schwerverletzte nach Ägypten gebracht
Am Mittwoch brachten erstmals seit Beginn der Kämpfe Krankenwagen des ägyptischen Roten Halbmonds auch Dutzende schwer verletzte Palästinenser und Palästinenserinnen in medizinische Einrichtungen in Ägypten. Ein Tropfen auf den sprichwörtlich heißen Stein - Tausende bräuchten laut der Weltgesundheitsorganisation dringend Zugang zu medizinischer Hilfe. Dazu gehörten schwer verletzte Zivilisten, darunter viele Kinder, sowie Dialyse- und Krebspatienten. In Gaza mangelt es überall an Medikamenten, medizinischem Material, Treibstoff, Wasser und Lebensmitteln.
Noch gebe es keine Informationen darüber, wie es in den kommenden Tagen weitergeht, sagt Grenzübergangssprecher Adwan der Nachrichtenagentur AFP: "Wir hoffen, dass der Grenzübergang permanent geöffnet bleibt. Vor allem für die vielen Schwerverletzten."
"Ehrlich gesagt, freue ich mich nicht wirklich"
Susan Psiso hat es geschafft. Sie steigt später in einen Bus und wird in Richtung Ägypten aufbrechen: "Ehrlich gesagt, freue ich mich nicht wirklich darüber, Gaza zu verlassen. Meine Familie und Freunde sind noch dort. Ob ich sie je wiedersehen werde, weiß ich nicht. Es sterben so viele Menschen. Niemand ist sicher."
Einige hundert Menschen konnten den Gazastreifen bereits verlassen. Für Hunderttausende Palästinenser und Palästinenserinnen wird es diese Möglichkeit vermutlich nicht geben - sie bleiben weiter im Krieg gefangen.