Vorwürfe gegen UNRWA-Mitarbeiter Deutschland stoppt Gelder für UN-Hilfswerk
Waren mehrere Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks in die Terrorangriffe der Hamas am 7. Oktober in Israel verwickelt? Diese Vorwürfe werden geprüft. Nach anderen Staaten will nun auch Deutschland vorerst keine neuen Gelder bewilligen.
Deutschland will wegen der mutmaßlichen Beteiligung einiger Beschäftigter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA am Massaker der Hamas in Israel vorerst keine neuen Gelder für die Organisation bereitstellen. "Bis zum Ende der Aufklärung wird Deutschland in Abstimmung mit anderen Geberländern temporär keine neuen Mittel für UNRWA in Gaza bewilligen", teilten das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium mit. Ohnehin stünden derzeit keine neuen Zusagen an, hieß es.
Die Ministerien betonten, die humanitäre Hilfe für die Palästinenser laufe weiter. Vor wenigen Tagen habe man die Mittel für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF um sieben Millionen Euro aufgestockt.
Zugleich hieß es, UNRWA sei für die Grundversorgung der palästinensischen Bevölkerung lebenswichtig. Es sei "absolut richtig", dass UNRWA angesichts der Anschuldigungen gegen Mitarbeiter sofort gehandelt und Generalkommissar Philippe Lazzarini "umgehend Maßnahmen ergriffen hat". Die Bundesregierung unterstützte das UN-Hilfswerk eigenen Angaben nach allein im Jahr 2023 mit mehr als 200 Millionen Euro.
Auch andere Staaten stellen Zahlungen vorerst ein
Zuvor hatten bereits mehrere andere Staaten vorübergehend ihre Zahlungen an die UN-Organisation eingestellt. Dazu zählen die USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Italien und Finnland.
UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini hatte berichtet, Israel habe dem Hilfswerk Informationen übermittelt, wonach mehrere Mitarbeiter in den Terrorangriff verwickelt gewesen sein sollen. Auf welche Art die Mitarbeiter möglicherweise an dem Hamas-Massaker in Israel beteiligt waren, teilte die UN nicht mit.
UNRWA-Leiter fordert Ende von Zahlungsstopps
Lazzarini und UN-Generalsekretär António Guterres zeigten sich entsetzt und drohten den Betroffenen mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollte sich der Verdacht erhärten. Lazzarini hatte die Mitarbeiter entlassen und eine Untersuchung angeordnet.
Am Abend bat der UNRWA-Leiter die Länder, die ihre Finanzierung ausgesetzt haben, ihren Kurs zu ändern. "Diese Entscheidungen bedrohen unsere laufende humanitäre Arbeit in der gesamten Region, einschließlich und insbesondere im Gazastreifen". Er sei schockiert, dass solche Entscheidungen basierend auf Vorwürfen gegen einige wenige getroffen werden.
Israel: "UNRWA ziviler Arm der Hamas"
Für Israels UN-Botschafter sind die neuen Anschuldigungen nur ein weiteres Zeichen für die Voreingenommenheit der Vereinten Nationen. Harsch äußerte sich Gilad Erdan bei einer Veranstaltung zum Internationalen Gedenktag für die Opfer des Holocaust. "Nicht nur werden die Vereinten Nationen als Waffe missbraucht, um uns das Existenzrecht abzusprechen. Sondern auch dazu, uns physisch auszurotten", sagte er.
Israels Außenminister Israel Katz warf dem UN-Hilfswerk vor, viele Mitarbeiter zu haben, die Mitglieder der Hamas seien und Terror unterstützten. Er lieferte dafür keine Belege. In einem Beitrag auf der Plattform X schrieb er, das UNRWA diene als ziviler Arm der Hamas im Gazastreifen. Die Organisation soll seinem Willen zufolge nach dem Ende des Kriegs keine Rolle mehr in dem Palästinensergebiet spielen.
In der Nacht zum Sonntag forderte Katz den Rücktritt des UNRWA-Chefs. "Herr Lazzarini, bitte treten sie zurück", schrieb Israel Katz auf X. Israels Regierungssprecher Eylon Levy warf dem UNRWA zudem vor, eine "Front der Hamas" zu sein. "Es deckt die Hamas buchstäblich", schrieb er auf X.
Hamas spricht von Hetzkampagne
Die Hamas sprach von einer Hetzkampagne Israels gegen internationale Organisationen, die den Palästinensern helfen. Die Islamistenorganisation verurteilte zugleich, dass UNRWA die Taten der Hamas kritisiert und die Freilassung der aus Israel entführten Geiseln gefordert habe. Es sei nicht die Aufgabe der Organisation, in dem Konflikt politische Positionen zu äußern.
Lazzarini hatte die Anschläge am 7. Oktober vergangenen Jahres als abscheulich bezeichnet. Dabei ermordeten Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Palästinensergruppen in Israel mehr als 1.200 Menschen in Israel. Zudem verschleppten sie bei dem brutalen Massaker mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen.
Hilfswerk wiederholt in der Kritik
Nach dem 7. Oktober hatte es auch unbestätigte Berichte gegeben, dass Lehrer des UNRWA das Massaker gefeiert hätten. Laut einem ebenfalls unbestätigten israelischen Medienbericht soll zudem eine der Geiseln bei einem Mitarbeiter der Organisation festgehalten worden sein. Beide Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Doch immer wieder ist das Hilfswerk mit etwa 30.000 Mitarbeitenden der Kritik ausgesetzt, es würde auch der Hamas in die Hände spielen. Tatsächlich brachten Mitglieder der Terrormiliz die UN-Organisation wiederholt unter Rechtfertigungsdruck, indem sie etwa Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Schulen für ihre Zwecke missbrauchten.
Seit Beginn des Bombardements des Gazastreifens durch Israel in Reaktion auf das Hamas-Massaker sind auch Dutzende Helfer von UNRWA getötet worden.
Die Vereinten Nationen hatten das UNRWA 1949 gegründet, um palästinensischen Flüchtlingen zu helfen. Mittlerweile haben nach Angaben der Organisation rund 5,9 Millionen Menschen Anspruch auf ihre Dienste. Dazu zählen Palästinenser, die 1948 flüchteten oder vertrieben wurden, sowie ihre Nachkommen. Das UNRWA ist unter anderem in Jordanien, im Libanon und in den Palästinensergebieten tätig.