Bewaffnete in der syrischen Provinz Aleppo.

Krieg in Syrien Heftige Kämpfe zwischen Armee und Dschihadisten

Stand: 28.11.2024 16:15 Uhr

Im Nordwesten Syriens haben von Dschihadisten-Milizen angeführte Aufständische eine überraschende Offensive gegen syrische Truppen gestartet. Präsident Assads Armee schlägt nach eigenen Angaben mit russischer Hilfe zurück.

Aufständische Milizen haben überraschend die syrische Armee angegriffen und sind offenbar auf dem Vormarsch. Als Reaktion bombardierten syrische und russische Luftstreitkräfte den von Aufständischen kontrollierten Nordwesten Syriens nahe der Grenze zur Türkei.

Den "Terroristen" seien schwere Verluste zugefügt worden, teilte die syrische Armee mit. Man kooperiere mit Russland und "befreundeten Kräften", um Boden gutzumachen und die Ausgangslage wiederherzustellen.

Am Mittwoch waren bewaffnete Gruppen unter der Führung des islamistischen Milizenbündnisses Hajat Tahrir al-Scham (HTS) nach Angaben aus Armee- und Aufständischenkreisen in die Provinz Aleppo vorgestoßen, die von der syrischen Regierung kontrolliert wird.

Karte: Syrien | Schraffiert: von verschiedenen Kräften kontrollierten Gebiete

"Bis vor die Tore der Stadt Aleppo"

Das syrische Militär sprach von einem Großangriff auf breiter Front. Der Angriff mit "mittelschweren und schweren Waffen zielte auf sichere Dörfer und Städte sowie auf unsere militärischen Einrichtungen in diesen Gebieten". Die Armee sei unter "großen Verlusten" dabei, den Angriff abzuwehren.

In Armeekreisen hieß es, die Rebellen seien fast bis auf zehn Kilometer vor die Tore der Stadt Aleppo vorgerückt und bis auf wenige Kilometer an die Städte Nubl und Sahra, wo die vom Iran unterstützte libanesische Hisbollah-Miliz stark vertreten ist. Zudem hätten sie den Flughafen Al-Najrab im Osten der Stadt angegriffen. Dort haben pro-iranische Milizen Außenposten.

Eine iranische Nachrichtenagentur meldete ohne Nennung von Details, ein General der iranischen Revolutionsgarden sei in Aleppo von "Terroristen" mit Verbindungen zu Israel getötet worden.

Nach Angaben von Aktivisten sind bei den Kämpfen mehr als 140 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien 89 Mitglieder der Dschihadistengruppe HTS und ihrer Verbündeten sowie 52 Mitglieder der Regierungstruppen und deren Unterstützer, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.

Aufständische: Sind Armee zuvorgekommen

Die Aufständischen erklärten, ihre Kampagne sei eine Reaktion auf in den vergangenen Wochen verstärkte Angriffe der russischen und syrischen Luftstreitkräfte auf Zivilisten im Süden der Provinz Idlib. Zudem wollten sie nach eigenen Angaben möglichen Angriffen der syrischen Armee zuvorkommen, die Truppen in der Nähe der Frontlinien zusammenziehe.

Nach Angaben der aufständischen Gruppen wurden seit Jahresbeginn bei Drohnenangriffen auf von ihnen gehaltene Dörfer mehr als 80 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Die syrische Regierung bestreitet, wahllos Zivilisten anzugreifen. Sie führt nach eigenen Angaben Krieg gegen militante Gruppen, die von der Terrororganisation Al-Kaida inspiriert seien.

In türkischen Sicherheitskreisen hieß es, die Milizen hätten nach Angriffen syrischer Regierungstruppen zunächst eine begrenzte Operation gestartet und diese dann ausgeweitet, nachdem Regierungstruppen ihre Stellungen aufgegeben hätten. Die Aufständischen hätten sich innerhalb einer sogenannten Deeskalationszone in Idlib bewegt.

Diese war 2019 von Russland, dem Iran und der Türkei vereinbart worden mit dem Ziel, die Feindseligkeiten zwischen den Aufständischen und den Regierungstruppen zu reduzieren. Die Türkei verfolge die jüngsten Entwicklungen in Nordsyrien aufmerksam und habe Vorkehrungen getroffen, um die Sicherheit der dortigen türkischen Truppen zu gewährleisten, war aus dem Verteidigungsministerium in Ankara zu vernehmen.

Größter Angriff seit 2020

Die Kämpfe stellen die heftigsten Zusammenstöße seit Vereinbarung einer Waffenruhe im März 2020 in dem Gebiet dar, in dem die größtenteils von den Regierungstruppen kontrollierte Provinz Aleppo an die von Dschihadisten gehaltenen Region Idlib grenzt. Das Abkommen wurde von Russland und der Türkei nach jahrelangen Kämpfen zwischen Rebellen und den Truppen von Präsident Baschar al-Assad ausgehandelt.

Assads wichtigster Verbündeter ist neben dem Iran Russland, während die Türkei Aufständische unterstützt. Die Dschihadistengruppe HTS wird von den USA und Ankara als Terrororganisation eingestuft. HTS kontrolliert Teile mehrerer syrischer Provinzen, darunter Aleppo und Idlib. Die Gruppe ist ein syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. 

Der syrische Bürgerkrieg hatte begonnen, nachdem Präsident Baschar al-Assad Proteste gegen die Regierung im Jahr 2011 mit Gewalt niederschlagen ließ. Seitdem sind in dem Konflikt mehr als 500.000 Menschen getötet und Millionen vertrieben worden.