Eingeschränkte Frauenrechte NGOs stellen Arbeit in Afghanistan ein
In Afghanistan werden Frauen immer mehr aus dem öffentlichen Leben herausgedrängt. Zuletzt sprachen die Taliban ein Arbeitsverbot in Hilfsorganisationen für sie aus. Drei NGOs haben nun beschlossen, ihre Arbeit vor Ort einzustellen.
Als Reaktion auf ein von den Taliban gefordertes Arbeitsverbot für Frauen bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Afghanistan haben mehrere Hilfsorganisation ihre Arbeit eingestellt. "Bis wir Klarheit über diese Ankündigung haben, setzen wir unsere Programme aus", teilten die Organisationen Care, Save the Children und die Norwegische Flüchtlingshilfe in einer gemeinsamen Erklärung mit. "Wir können Kinder, Frauen und Männer in dringender Not nicht ohne unsere weiblichen Angestellten erreichen", hieß es zur Begründung. Später schloss sich das Internationale Rettungskomitee an.
Die Hilfsorganisationen forderten zudem, dass "Männer und Frauen gleichermaßen unsere lebensrettende Hilfe in Afghanistan fortsetzen können". Die radikalislamischen Taliban hatten das Beschäftigungsverbot am Samstag bekannt gegeben und mit "ernsthaften Beschwerden" über das Nichttragen des Hidschabs im Zusammenhang mit für NGOs tätigen Frauen begründet. Organisationen, die das Verbot nicht einhielten, drohe der Entzug ihrer Zulassung. Ob die Regelung nur für afghanische Staatsangehörige oder auch für Ausländerinnen gilt, blieb zunächst unklar.
"Sie rauben ein weiteres Grundrecht"
Die Ankündigung der militanten Islamisten löste weltweit Besorgnis aus. Unter anderem verurteilten der UN-Generalsekretär, die EU-Kommission und die Außenminister der USA und Deutschlands den Schritt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wies die Forderung der Taliban zurück. "Wir werden nicht akzeptieren, dass die Taliban die humanitäre Hilfe zum Spielball ihrer Frauenverachtung machen", twitterte die Grünen-Politikerin.
"Sie rauben der Hälfte der Bevölkerung ein weiteres Grundrecht, brechen humanitäre Prinzipien und gefährden die lebenswichtige Versorgung der Menschen", so Baerbock. Geschlechtsbezogene Verfolgung könne auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein. "Wir setzen uns für eine deutliche Reaktion der internationalen Gemeinschaft ein."
UN-Generalsekretär António Guterres sei "zutiefst beunruhigt", teilte sein Sprecher in New York mit. "Diese Entscheidung wird die Arbeit zahlreicher Organisationen untergraben, die im ganzen Land den Schwächsten helfen, vor allem Frauen und Mädchen." Die Vereinten Nationen und ihre Partner, einschließlich nationaler und internationaler NGOs, unterstützten derzeit mehr als 28 Millionen Afghanen, die für ihr Überleben von humanitärer Hilfe abhingen.
Blinken "zutiefst besorgt"
US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich auf Twitter "zutiefst besorgt". Dieses Verbot für Frauen werde die Versorgung mit humanitärer Hilfe in Afghanistan durcheinanderbringen. "Frauen spielen bei humanitären Hilfsaktionen weltweit eine zentrale Rolle", so Blinken. Eine solche Entscheidung könne verheerende Folgen für die Menschen in Afghanistan haben.
Die Europäische Union verurteile das jüngste Verbot der Taliban aufs Schärfste, twitterte EU-Kommissionssprecherin Nabila Massrali in der Nacht zum Sonntag. Es handle sich um einen "klaren Bruch humanitärer Grundsätze". Die EU bewerte derzeit den Einfluss, den das Verbot auf seine Hilfe für Afghanistan haben werde.
Proteste gegen Hochschulverbot
Seit ihrer erneuten Machtübernahme im August 2021 drängen die radikal-islamischen Taliban Frauen aus dem öffentlichen Leben heraus. Zuletzt wurde Studentinnen ein Hochschulverbot erteilt. Landesweit protestieren Frauen seitdem gegen das Verbot.
Etwa zwei Dutzend Frauen seien am Samstag in Herat im Westen des Landes zum Sitz des Gouverneurs gezogen und hätten gerufen: "Bildung ist unser Recht", berichtete die Nachrichtenagentur AP mit Verweis auf Augenzeugen - die Organisatorinnen sprachen sogar von bis zu 150 Teilnehmerinnen. Sicherheitskräfte trieben Demonstrierende dem Bericht zufolge mit einem Wasserwerfer auseinander. Überall in den Straßen seien Sicherheitskräfte und gepanzerte Fahrzeuge zu sehen gewesen.
Gouverneurssprecher Hamidullah Mutawakil bezifferte die Zahl der Demonstrantinnen auf vier oder fünf. "Die hatten kein Ziel. Sie sind nur hergekommen, um einen Film zu drehen", sagte er. Den Einsatz von Gewalt und Wasserwerfern erwähnte er nicht.
Mindestens eine Demonstrantin vermisst
Auch in der Hauptstadt Kabul zeigten die Taliban erhöhte Militärpräsenz. Auch dort hatten am Donnerstag Dutzende Frauen gegen das Universitätsverbot demonstriert. Berichten zufolge wird seitdem mindestens eine der Frauen vermisst.
Die Entscheidung, Frauen von Universitäten und Mädchen von weiterführenden Schulen auszuschließen, hatte international scharfe Kritik hervorgerufen. "Dieses Verbot ist weder islamisch noch menschlich", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Die G7-Außenminister hatten am Donnerstag die Taliban aufgefordert, das Verbot aufzuheben. Zur G7 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Japan und die USA. Die EU hat einen Beobachterstatus.