Neuer CHP-Vorsitzender Özel Ein Mann, der nicht mehr verlieren will
Länger als ein Jahrzehnt stand Kemal Kilicdaroglu an der Spitze der größten türkischen Oppositionspartei CHP - ohne eine Wahl zu gewinnen. Jetzt löste ihn Özgür Özel ab. Wer ist der neue Mann an der Spitze der Partei?
"Wir sind aufgebrochen, damit Erdogan und seine AKP nicht ewig regieren!" Özgür Özel ist seit Monaten im Wahlkampfmodus. Dabei redet er hier in einem Kohlerevier Monate nach der Präsidentschaftswahl, die seine CHP verloren hat. Genau das aber soll seine Partei nicht mehr: verlieren.
Und dafür könne keiner so gut sorgen wie er selbst, meint der neue Parteichef: "Nicht, um die Macht innerhalb der Partei zu gewinnen, sondern um die CHP, die Partei Atatürks, an die Macht zu bringen, kandidiere ich für den Vorsitz der Republikanischen Volkspartei."
Kampfansage gegen die bisherige Führung
Dabei wusste Özel vor dem Wahl-Parteitag genau: Eine Kandidatur gegen den langjährigen bisherigen Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu ist eine Kampfansage. Aber der taugte in den Augen Özels nach der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl nicht mehr für die Zukunft, weil er Fehler nicht aufarbeiten, sondern einfach weitermachen wolle. "Wenn wir das Problem nicht erkennen, nicht selbstkritisch sind und die Menschen nicht davon überzeugen, dass wir dazugelernt haben, werden die CHP und die gesamte politische Opposition in den Augen der Wähler überflüssig", erklärte er.
Nach Ansicht von Özel geht es also um nicht weniger als die Existenz seiner CHP. Nach seiner für viele Beobachter überraschenden Wahl zum neuen Vorsitzenden kann er nun zeigen, wie er die CHP in eine bessere Zukunft führt.
Der 49-jährige Apotheker ist schon lange dabei. 2009 trat er zum ersten Mal als Bürgermeisterkandidat in seiner Heimatstadt Manisa im Westen des Landes an. Fünf Jahre später kandidierte er erneut, verlor aber beide Wahlen.
Seit 2011 im Parlament
Seit 2011 gehört Özel dem türkischen Nationalparlament an. Wenige Jahre später wurde er stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion. Nach der letzten Wahl rückte er zum Vorsitzenden auf. Sein Vorgänger Kilicdaroglu ist wegen seiner Kandidatur für das Präsidentenamt nicht mehr im Parlament vertreten.
Für Özel war seine Wahl zum Fraktionschef aber nur die eine Hälfte der nötigen Veränderung. Die zweite kommt nun dazu: Kilicdaroglu steht auch nicht länger an der Parteispitze. "Der Wandel in der CHP ist eine Voraussetzung für den Wandel im Land", sagt Özel. "Und genau hier beginnt unsere Geschichte."
Özel will eine Kehrtwende
Es ist eine andere Geschichte als die bisherige. Wahlbündnisse wie zuletzt mit rechten Parteien brandmarkt Özel als Fehler. Und er möchte auch nicht länger mit Präsident Erdogan wetteifern, wer die besseren Nationalisten seien - sondern sich um Armut, Arbeitslosigkeit und den Sozialstaat kümmern.
Überhaupt Erdogan: Den hält Özel für einen Opportunisten, der obendrein auch noch für die Falschen Position beziehe - zum Beispiel im Nahost-Krieg: Zwar spricht auch Özel beim Vorgehen Israels von Staatsterrorismus, aber: "Wir lehnen die Feststellung Tayyip Erdogans entschieden ab, die Hamas sei keine Terrororganisation. Das ist beschämend für die Türkei. Die Hamas ist eine Terrororganisation."
Erste Bewährungsprobe bei Kommunalwahlen 2024
Viel Einfluss wird die größte Oppositionspartei CHP auf die türkische Politik vorerst nicht nehmen können. Womöglich hilft ihr der Schwung des neuen Vorsitzenden aber bei den Kommunalwahlen kommendes Jahr im März. Für Özel wird es, auch wenn er dann nicht selbst zur Wahl steht, die erste Bewährungsprobe.