Krieg in Nahost Waffenruhe zwischen Israel und Hisbollah in Kraft
Nach mehr als einem Jahr Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon schweigen die Waffen. Am Morgen begann eine von den USA vermittelte Waffenruhe. Bis kurz vor Inkrafttreten gab es gegenseitigen Beschuss.
Nach erneuten massiven israelischen Luftangriffen im Libanon ist der angekündigte Waffenstillstand im Krieg mit der Hisbollah am frühen Morgen in Kraft getreten. Er soll die seit fast 14 Monaten anhaltenden Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten Miliz beenden.
Das Waffenruheabkommen sieht vor, dass die Kämpfe zunächst für zwei Monate eingestellt werden. Die Hisbollah soll ihre Präsenz an der südlibanesischen Grenze aufgeben, während israelische Truppen auf ihre Seite der Grenze zurückkehren sollen. Tausende libanesische Soldaten und Blauhelme der UN-Beobachtermission UNIFIL sowie ein Gremium unter Vorsitz der USA sollen die Umsetzung des Abkommens überwachen.
Israel erklärte, dass es erneut angreifen werde, sollte die Hisbollah das Abkommen brechen. In den Stunden vor dem Inkrafttreten flog Israel einige der schwersten Angriffe auf Beirut seit Kriegsbeginn. Auch die Hisbollah-Miliz griff Israel nach eigener Darstellung noch in der Nacht an. Sie erklärte, unter anderem israelische Soldaten und Ziele jenseits der Grenze in Israel mit Raketen beschossen zu haben.
Von den USA und Frankreich vermittelt
US-Präsident Biden hatte die Waffenruhe nach der Zustimmung des israelischen Sicherheitskabinetts gestern Abend bekanntgegeben. Ziel sei eine dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten, sagte er in einer Ansprache. Biden wertete das Abkommen als Chance für eine Feuerpause auch im Gazastreifen. Seine Regierung werde einen neuen Vorstoß wagen, um auch ein Ende der Kämpfe zwischen der Hamas-Terrormiliz und Israel zu erreichen.
Die Vereinbarung war von den USA und Frankreich vermittelt worden. Beide Länder wollen gemeinsam dafür einstehen, dass die Waffenruhe umgesetzt wird, heißt es in einer Erklärung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, die Waffenruhe müsse "ein neues Kapitel für den Libanon aufschlagen". Auch für Israel sei die Einigung ein wichtiger Moment. "Es ist wichtig, dass diese Waffenruhe eingehalten wird und das auf Dauer", sagte Macron.
Netanyahu warnt Hisbollah
Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu mahnte die Hisbollah mit scharfen Worten zur Einhaltung der Einigung: "Die Dauer der Waffenruhe hängt davon ab, was im Libanon geschieht." Israel behalte sich die "volle militärische Handlungsfreiheit" vor.
Nach Angaben eines hochrangigen US-Regierungsvertreters behält neben Israel auch der Libanon das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Völkerrecht. Von der Hisbollah selbst gibt es noch keine offizielle Stellungnahme. Aus amerikanischen Regierungskreisen heißt es, die USA hätten nicht mit der Hisbollah über die Waffenruhe verhandelt, sondern mit der libanesischen Regierung. Diese müsse nun die Verantwortung dafür übernehmen, was in ihrem Land passiere.
Ob sie dazu angesichts der Schwäche des libanesischen Staates in der Lage sein wird, ist fraglich. Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati forderte nach einem Telefonat mit Biden die sofortige Umsetzung der Abmachung.
UN-Resolution von 2006 als Blaupause
Die Übereinkunft entspricht Berichten zufolge weitgehend der UN-Resolution 1701, mit der nach dem vergangenen Krieg 2006 vergeblich versucht worden war, ein dauerhaftes Ende der Gewalt zu erreichen. US-Vermittler Amos Hochstein hatte die Bedingungen der neuen Einigung deshalb auch als "1701 Plus" bezeichnet.
Nach der Einstellung der Kämpfe soll sich die Hisbollah zunächst hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der faktischen israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen. Danach sollen Israels Bodentruppen innerhalb der 60 Tage aus dem Libanon abziehen. Die israelische Armee betonte, dass ihre Truppen vorerst im Süden des Landes stationiert bleiben und warnte Bewohner von Gegenden, für die es zuvor Aufforderungen zur Evakuierung gegeben habe, sie dürften nicht in ihre Dörfer zurückzukehren.
Verhinderung erneuter Bewaffnung der Hisbollah
Ein wichtiger Punkt der Einigung dreht sich zudem um das Arsenal der Hisbollah, die laut Experten vor Kriegsbeginn zu den stärksten paramilitärischen Gruppen der Welt zählte. Die Regierung des Libanon - derzeit nur geschäftsführend im Amt - soll dafür alle Waffenverkäufe an das Land sowie deren Herstellung dahingehend überwachen, dass sie die Hisbollah oder andere bewaffnete Gruppen nicht erreichen. Schon die UN-Resolution 1701 von 2006 sah solch eine Aufsicht vor - die Hisbollah hatte es trotzdem geschafft, ihr Arsenal deutlich auszubauen.
Mehr als 3.700 Tote im Libanon
Die Hisbollah beschoss Israel nach eigenen Angaben zur Unterstützung der islamistischen Hamas, die mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel den Gaza-Krieg auslöste.
Im Libanon wurden bei israelischen Angriffen nach offiziellen Zahlen seit Kriegsbeginn mehr als 3.700 Menschen getötet und etwa 15.500 verletzt. Bei den Angaben wurde nicht zwischen Zivilisten und Bewaffneten unterschieden. Israel hat bei seinen Angriffen einen großen Teil der Hisbollah-Führungsriege getötet, darunter den langjährigen Anführer der Miliz Hassan Nasrallah. Mehr als 800.000 Menschen im Libanon wurden durch den Krieg im Land vertrieben, viele weitere flüchteten ins benachbarte Syrien.
In Israel gab es im selben Zeitraum durch Angriffe der Hisbollah 76 Tote, die Mehrheit davon Zivilisten, mehr als 700 Verletzte und große Sachschäden. Israels Raketenabwehr fing aber die meisten Geschosse der Miliz ab. Etwa 60.000 Bewohner Nordisraels wurden evakuiert.