Parlamentswahl im Iran Ein Urnengang ohne echte Hoffnung
Etwa 60 Millionen Menschen waren im Iran aufgerufen, ein neues Parlament und den Expertenrat zu wählen. Während Regierungstreue wählen gingen, boykottierten Oppositionelle den Urnengang. Beobachter rechnen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung.
Die Hosseini Ershad-Moschee liegt im Norden Teherans, hier leben die Wohlhabenderen der Hauptstadt. Die Moschee ist auch Wahllokal. Der 50-jährige Mohammad Hamedi hat gerade seine Stimme abgegeben. "Ich bin im Iran geboren und aufgewachsen", antwortet er auf die Frage, warum er wählen geht. Er habe von allen Einrichtungen und Segnungen des Landes profitiert.
"Deshalb ist es meine Pflicht, zu wählen, um mein Schicksal zu bestimmen und die Probleme meines Landes zu lösen." Der 60-jährige Akbar Rastizadeh, der schon in Rente ist, sagt, er wähle zur Stärkung seines Landes und um den Rat seines obersten Führers zu befolgen.
In der Moschee ist es eng, die Behörden haben nur einen Zugang geöffnet. In dem drängeln sich jetzt nationale und internationale Medienvertreter, Sicherheitsleute sowie die Wählerinnen und Wähler. Draußen, nicht weit entfernt, ist die Polizei mit Fahrzeugen und Bereitschaftstruppen präsent.
Wenig Hoffnung auf Veränderung
Der Wahltag im Iran beginnt mit dem Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei. Im Staatsfernsehen ist zu sehen, wie er seine Stimmzettel in die durchsichtigen Plastikboxen mit roten und blauen Deckel wirft, bevor er die Menschen im Iran erneut zum Wählen auffordert.
Viele Menschen sehen die Wahl als nicht legitim an, wie der 60-Jährige Sohrab: "Ich wähle nicht, weil sich nicht nur die Versprechungen als leer erwiesen haben, sondern weil sie uns jegliche Hoffnung für die Zukunft genommen haben."
Staatsoberhaupt Ayatollah Khamenei hat als Erster seine Stimme abgegeben.
Auch die 50-jährige Fattene, die ohne Kopftuch unterwegs ist, wählt nicht. "Das Parlament muss ein unabhängiger Teil der Staatsgewalt sein", sagt sie. "Doch unabhängig ist es nicht. Warum sollte ich dann wählen gehen?"
Unter anderem die inhaftierte Nobelpreisträgerin Narges Mohammadi hatte zum Boykott aufgerufen. Denn eine echte Wahl hätten die Menschen nicht. 15.000 Kandidaten treten bei der Parlamentswahl an, für 290 Sitze. Sie sind alle vom Wächterrat ideologisch überprüft worden.
Wächterrat sortiert Bewerber aus
Unliebsame Bewerber hat der Wächterrat aussortiert. Oppositionelle stehen nicht auf dem Wahlzettel, genauso wenig wie reformorientierte Kräfte. Der allergrößte Teil der Kandidaten gehört zu den ultrakonservativen Hardlinern.
Selbst der ehemalige Präsident der Republik, Hassan Rohani, durfte nicht wieder für den Expertenrat kandidieren. Dieser Rat wird für acht Jahre gewählt und wählt im Todesfall den Obersten Religionsführer neu. Ayatollah Ali Khamenei wird im April 85 Jahre alt. Die Hardliner im Iran wollen die Wahlen dafür nutzen, ihre Macht im System zu festigen.
Geringe Beteiligung stellt Legitimität infrage
Wer am Ende gewählt wird, ist also nicht so wichtig wie die Frage, wie viele Menschen gewählt haben. Vor vier Jahren lag die Beteiligung bei knapp über 40 Prozent. Jetzt rechnet ein unabhängiges Institut mit 15 Prozent. Das würde die Legitimität des Regimes nach den Jina-Mahsa-Amini-Protesten erneut in Frage stellen, sagt der politische Analyst Nader Karimi: "Das ganze iranische Volk weiß, wie es um die Legitimität bestellt ist. Sollte die Wahlbeteiligung höher ausfallen als vorhergesagt, wäre das eine Überraschung."
In den sozialen Medien kursieren Videos von leeren Wahllokalen, Bäckereien, vor denen mehr Menschen anstehen als vor Urnen. Sie sollen den Ausmaß des Wahlboykotts zeigen. Die Videos sind nicht unabhängig verifizierbar, erfahren aber eine große Aufmerksamkeit. Offizielle Ergebnisse und Zahlen zur Wahlbeteiligung soll das Regime im Laufe der nächsten Tage veröffentlichen. Ob die Zahlen dann vertrauenswürdig sind, wird ebenfalls schwer zu überprüfen sein.