Ostchinesisches Meer Japan rüstet Yonaguni auf
Jahrzehntelang war Yonaguni fast nur Tauchtouristen und Schmetterlingsliebhabern bekannt. Jetzt rückt die kleine Insel in den Fokus der Weltpolitik. Der Grund: Taiwan ist nur einen Katzensprung entfernt.
Kenichi Itokazu wirft sich auf dem Sofa zurück. "Wenn ich könnte, ich würde unsere Insel weiter raus in den Pazifik legen!" Itokazu ist seit drei Jahren hauptamtlicher Bürgermeister der japanischen Insel Yonaguni. Er regiert etwa 1.500 Menschen. Wenn er auf den Inselberg Uruba-dake steigt, dann kann er bei klarem Wetter Taiwan sehen. Es liegt nur 110 Kilometer entfernt. Aktuell sind US-Marines auf der Insel, um zusammen mit den Japanern den Ernstfall zu proben. Seit zwei Jahren geht hier die Angst um.
Morgens schäumt der Pazifik. Nur vier Seemeilen von Yonaguni zischen Schwärme von Gelbflossen-Thunfischen dicht unter der Oberfläche hin und her, ewig auf der Jagd nach Beute, ewig auf der Flucht vor den Schwertfischen. Genau das sucht der Fischer Hirotoshi Ohgimi. Erst fängt er zwei Thunfische, dann hängt er sie an die Langleinen, in der Hoffnung, dass die Schwertfische beißen. Dazu dudelt Volksmusik aus Okinawa aus dem Bordlautsprecher. "Manchmal hilft das", sagt der Fischer. Doch die Sicherheitslage um Taiwan schränkt ihn zunehmend ein.
Hirotoshi Ohgimi berichtet, dass in seinem Fanggebiet schon chinesische Raketen niedergingen.
Fischer von Chinas Marine gestört
Zwei Jahre ist es her, dass die damalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, demonstrativ Taiwan besucht hat. China antwortete mit Militärmanövern rund um Taiwan. "Da und da", Hirotoshi Ohgimi zeigt die Stellen aus dem Fenster seines Deckshauses, "sind zwei chinesische Raketen ins Wasser gefallen." Seitdem fahren die Frachtschiffe einen weiteren Bogen um Taiwan, immer dichter an Yonaguni heran. "Die Schiffe reißen manchmal unsere Bojen weg. Nachts müssen wir ausweichen", berichtet der Fischer.
Fast wirkt es wie eine kleine Demonstration: Ein paar Dutzend der kleinen Yonaguni-Pferde zuckeln in der tropischen Hitze an der schwer bewachten Basis der japanischen Armee vorbei. Hinter dem Zaun haben die US-Marines von Okinawa ein hochauflösendes Radar aufgestellt. Überwachungskameras schwenken sirrend auf jeden zu, der sich nähert. Zwischenzeitlich war auch ein Patriot-Flugabwehr System hier stationiert. Genauere Informationen gibt es dazu nicht.
US-Marines versprechen Beistand
Japaner und Amerikaner sind gemeinsam zur Übung "Resolute Dragon" auf der Insel zusammengekommen. Japan hat angekündigt, angesichts der Bedrohung durch China seine Ausgaben für Verteidigung um 60 Prozent zu erhöhen - ein historischer Schritt.
"Das ist auch nötig", findet der Politikwissenschaftler Narushige Michisita. "Wir werden die Taiwanstraße verteidigen. Aber dafür brauchen wir so viele Verbündete wie möglich."
Im Moment ist es vor allem das US-Militär, das den Japanern beisteht. Auf Okinawa ist ein riesiger Stützpunkt, aber auch Yonaguni soll weiter militärisch verstärkt werden. Um das zu unterstreichen, ist der Dreisterne-General Robert Turner auf die Insel gekommen. "China destabilisiert durch sein aggressives Verhalten die ganze Region", sagt er und versichert. "Wir werden die süd-westlichen Inseln gegen jede Bedrohung verteidigen." Sein japanischer Kollege, General Masayoshi Arai, nickt.
Hatsumo Ohtomo hat als kleines Mädchen das Bombardement von Yonaguni erlebt. Die militärischen Spannungen machen ihr Angst um ihre Enkel.
Alten macht das Militär Angst
Für den Inselbürgermeister Kenichi Itokazu sind das einerseits gute Nachrichten. "Seit die Armee hier eingezogen ist, leben wieder mehr Menschen auf Yonaguni. Mehr Kinder kommen in die Schule. Es gibt wirtschaftliche Entwicklung."
Er will die Landebahn des Inselflughafens verlängern, den Hafen vergrößern. Aber das passt längst nicht allen hier. Im Hinterzimmer eines kleinen Inselmarktes sitzt eine alte Frau mit sonnengegerbetem Gesicht. Hatsumo Ohtomo ist 89 Jahre alt, hat sieben Töchter, 20 Enkel und 30 Urenkel. Einige von ihnen wuseln ständig um sie herum. Das Militär macht ihr Angst: "Ich habe mein Leben gelebt. Ich kann jeden Tag sterben. Aber was ist mit meinen Enkelkindern?"
Sie hat als zehn Jahre altes Mädchen erlebt, wie Yonaguni in der Schlacht um Okinawa von alliierten Bombern angegriffen wurde. Mit ihrer kleinen Schwester auf dem Rücken ist sie damals in eine Höhle hinter dem Haus geflohen. Beide hatten Glück und überlebten. Andere Familien sind in ihren Höhlen verbrannt. Das Trauma wirkt fort. Bürgermeister Itokazu bereitet jetzt Evakuierungspläne vor: Im Ernstfall müssen die Einwohner die Insel verlassen.
Friedensaktivisten demonstrieren am Inselflughafen.