Zugunglück in Indien Fehlerhaftes Signal führte wohl zur Katastrophe
Nach dem schweren Zugunglück in Indien gibt es Erkenntnisse über den Hergang der Katastrophe und die mögliche Unglücksursache. Offenbar führte ein Fehler im Signalsystem dazu, dass ein Zug auf ein falsches Gleis geriet.
Es ist gespenstisch ruhig an der Unfallstelle, heute Morgen, gut 36 Stunden nach der Katastrophe. Einige Bagger räumen kleinere Trümmerteile beiseite. 50, vielleicht 100 Helfer stehen herum, aber die Sanitäter sind verschwunden und die Krankenwagen auch. Dafür wird vorsichtig eine einzelne Lok an die Unfallstelle gefahren, um die Waggons wegzuziehen, die noch auf den Gleisen stehen.
Die Rettungsaktion wurde schon gestern Nachmittag beendet. Die Zahl der Toten nähert sich 300, die Angaben zu den Verletzten schwanken, zwischen 650 bis hin zu 1000. Selbst eineinhalb Tage später ist es offenbar noch schwer, einen Überblick zu bekommen, wer in welches Krankenhaus gebracht wurde. Klar ist: Zahlreiche Schwerverletzte ringen noch mit dem Tod, die Zahl der Opfer kann noch steigen.
Eindrücke "fast wie im Krieg"
Anubhav Das hatte Glück. Der 27-Jährige konnte sich am Freitagabend aus den Trümmern selbst befreien. Der Nachrichtenagentur AFP schilderte er das Grauen, das er erlebte: "Der Aufprall war so verheerend und so stark, dass es Körper gab, die über 30, 35 Meter von den Bahngleisen weggeschleudert wurden. Das war der Ort einer extremen Katastrophe. So viele Tote, es war fast wie im Krieg."
Nun geht es auch darum, den Hergang der Katastrophe zu rekonstruieren. Und, so sagte Premierminister Narendra Modi gestern bei einem Besuch an der Unfallstelle, es gehe auch darum, Schuldige zu finden: "Keiner der Verantwortlichen wird verschont, und sie werden die härteste Strafe erhalten."
Der indische Premierminister Modi besuchte gestern die Unfallstelle im Bundesstaat Odisha.
Nach übereinstimmenden Berichten indischer Medien war am Freitagabend gegen 19 Uhr ein Zug im ostindischen Bundesstaat Odisha auf ein falsches Gleis geraten. Der sogenannte Coromandel-Shalimar-Express - ein Fernzug mit 1500 Passagieren unterwegs von Kalkutta ins fast 1700 Kilometer entfernte Chennai. Auf diesem Gleis jedoch stand ein Güterzug, auf den der Fernzug auffuhr. 21 Waggons entgleisten, drei davon landeten auf einem Parallelgleis. Momente später kam aus der Gegenrichtung ein Schnellzug, der in die Unfallstelle raste - die Katastrophe war komplett.
Falsches Signal führte zu Kettenreaktion
Indiens Bahnminister Ashwini Vaishnaw sagte am Morgen, die Öffentlichkeit werde bald mehr wissen: "Die Untersuchung ist abgeschlossen. Der für Bahnsicherheit Verantwortliche wird seinen Untersuchungsbericht so schnell wie möglich vorlegen. Dann werden alle Fakten ans Licht kommen. Aber die Ursache für diesen schrecklichen und schmerzhaften Vorfall ist bereits bekannt."
Es habe sich um einen Fehler im elektronischen Signalsystem gehandelt, so der Bahnminister, der die verhängnisvolle Kettenreaktion ausgelöst habe. Dies habe dazu geführt, dass ein Zug auf ein falsches Gleis geriet.
Großteil des Bahnnetzes ist alt
In den indischen Medien, wie hier im Fernsehsender NDTV, wird schon diskutiert, ob Indiens Schienennetz mehr Sicherheitstechnik braucht. Ein automatisches Bremssystem zum Beispiel, das bislang nur für einen Bruchteil des Netzes existiert.
Tatsächlich gibt es in Indien hochmoderne Strecken mit neuen Zügen - Leuchtturmprojekte der Regierung Modi. Aber der Großteil dieses mit 68.000 Kilometern viertgrößten Eisenbahnnetzes der Welt ist eben noch alt, nicht selten marode. Züge, Schienen, Brücken - es gibt viel zu tun. Die Frage ist, ob durch dieses Unglück jetzt etwas in Bewegung kommt oder ob es nur darum geht, Schuldige zu finden und diese abzuurteilen.