Rede vor dem EU-Parlament Barroso will eine EU-Gemeinschaftskasse
EU-Kommissionspräsident Barroso hat seine erste Rede "zur Lage der Union" gehalten: "Entweder wir schwimmen gemeinsam oder wir gehen einzeln unter", gab er den Parlamentariern mit auf den Weg. Konkret geht es ihm ums Geld. Er will "EU-Steuern" und die Finanztransaktionssteuer voranbringen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verlangt von den 27 Mitgliedsstaaten mehr Gemeinschaftssinn. In seiner ersten Rede "zur Lage der Union" kündigte er vor dem Europaparlament in Straßburg eine Reihe politischer Initiativen an, die erhebliche Konflikte mit verschiedenen Regierungen auslösen dürften.
So brachte Barroso "EU-Steuern" ins Gespräch. Das derzeitige Finanzierungssystem der EU, das auf Überweisungen der Mitgliedstaaten beruht, sei "an seine Grenzen gestoßen", sagte er. Die Kommission werde ein "faires und effizienteres System" für mehr Eigenmittel vorschlagen. Im Gegensatz zu vielen Mitgliedsstaaten, die EU-Anleihen ablehnen, sprach sich Barroso dafür aus, aus einem solchen Topf beispielsweise Infrastrukturvorhaben, Entwicklungshilfe oder Forschungsprojekte zu finanzieren. Große Maßnahmen könnten gemeinsamen mit der Europäischen Investitionsbank mit EU-Anleihen finanziert werden, sagte er.
Solche Euro-Bonds sind bisher von vielen Regierungen abgelehnt worden- unter anderem auch von der deutschen - weil sie der Kommission und damit der EU eine eigene Rolle auf den Finanzmärkten verschaffen könnten.
Ungeliebte Finanztransaktionssteuer soll kommen
Auch die Steuer auf Finanztransaktionen will der Kommissionspräsident voranbringen: Noch in diesem Herbst werde die Kommission Vorschläge dafür machen. "Dies ist die Stunde der Wahrheit für Europa", sagte Barroso vor dem Parlament. "Europa muss zeigen, dass es mehr ist als nur 27 unterschiedliche nationale Lösungen. Entweder schwimmen wir gemeinsam oder wir gehen einzeln unter." Notwendig seien gemeinsame Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und der Verbesserung des Binnenmarktes.
Außerdem bedauerte er, die EU werde ohne gemeinsame Verteidigungspolitik - die unter anderem von Staaten wie Österreich und Irland abgelehnt wird - kein ausreichendes politisches Gewicht in der Welt haben.
Parlamentarier befürchten Gegenwind des Ministerrats
Barrosos Absichten wurden von den großen Parteien im Parlament grundsätzlich begrüßt, doch meldeten verschiedene Sprecher Zweifel an der Umsetzbarkeit an. "Sie werden drei Viertel der Ratsmitglieder gegen sich haben, wenn Sie über Eigenmittel reden", sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Martin Schulz. Ebenso wie Daniel Cohn-Bendit (Grüne) und Guy Verhofstadt (Liberale) kritisierte auch Schulz, dass Barroso der "sich bildenden Direktorialregierung unter deutsch-französischer Führung" nicht entschlossen genug entgegengetreten sei.
Cohn-Bendit sagte, seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages gebe es einen Kampf um dessen Interpretation. Viele Regierungen wollten mehr alleine entscheiden, Parlament und Kommission wollten jedoch gemeinschaftliche Beschlüsse. "Ich bin für die Gemeinschaftsmethode", versicherte Barroso. "Das Beste ist es, wenn die Kommission ihr Vorschlagsrecht wahrnimmt."