Screenshot aus einem vom russischen Staatsfernsehen veröffentlichen Video, das die Region Belgorod zeigen soll: Drei Menschen gestikulieren vor einem teils zerstörten Gebäude, einer trägt einen militärischen Tarnanzug.

Grenzregion zur Ukraine Lage in Belgorod bleibt undurchsichtig

Stand: 23.05.2023 15:19 Uhr

Noch sollen die Einwohner des russischen Grenzgebiets Belgorod nicht in ihre Häuser zurückkehren. Womöglich wird weiter gekämpft, obwohl Moskau bereits meldet, "70 Terroristen vernichtet" zu haben.

Von Frank Aischmann, ARD-Studio Moskau, zzt. Berlin

Beruhigende Nachrichten hatte der Gouverneur von Belgorod heute Morgen für die Bewohner der russischen Ortschaften direkt an der ukrainischen Grenze nicht zu vermelden. "Die Säuberung des Territoriums durch das Verteidigungsministerium und Sicherheitskräfte geht weiter", so Wjatscheslaw Gladkow.

Er bitte die Bürger des Bezirks Graiworon, noch nicht in ihre Häuser zurückzukehren. "Wir warten auf den Abschluss der gestern angekündigten Antiterror-Operation. Ich werde versuchen, sie so schnell wie möglich zu informieren", sagte er weiter.

Am Montagvormittag sollen zahlreiche gut Bewaffnete mit gepanzerten Fahrzeugen aus der Ukraine kommend in russische Orte vorgedrungen sein - obwohl die Grenzanlagen in dem dünn besiedelten Gebiet mit Milliarden-Rubel-Investitionen ausgebaut worden sein sollen.

Verletzte und mindestens eine Tote

Am Nachmittag kreisten Hubschrauber und Kampfflugzeuge über dem Gebiet, Schüsse und Granateneinschläge waren zu hören. Zwölf Zivilisten wurden laut Gouverneur Gladkow verletzt. Eine ältere Frau sei bei einer darauffolgenden Evakuierung ums Leben gekommen.

Verteidigungsministerium, FSB und Grenzschutz hätten dem Präsidenten über die Lage berichtet, hieß es am Abend in Nachrichten des russischen Staatsfernsehens. Zitiert wurde das Pressebüro der Regierung: "Der offizielle Sprecher des Kremls sagte zum versuchten Überfall ukrainischer Diversanten auf das Gebiet Belgorod, dass genügend Kräfte und Mittel vor Ort seien, um die Gruppierung zu vernichten und vom russischen Gebiet zu verdrängen."

Freiwilligenkorps in Russland verboten

Die Ukraine wies ganz offiziell jede Verantwortung von sich. Ausschließlich russische Staatsbürger kämpften da auf russischem Gebiet, hieß es. Der ukrainische Militärgeheimdienst nannte die "Legion Freiheit Russlands" und  das "Russische Freiwilligenkorps". 

In der "Legion Freiheit Russlands" kämpfen Freiwillige und ehemalige, übergelaufene Kriegsgefangene als Teil des internationalen Freiwilligenkorps der ukrainischen Armee. Es sollen russische Staatsbürger sein - gut ausgebildet und bewaffnet.

In einem vor dem Überfall aufgezeichneten und per Social Media verbreiteten Video sind mehrere Uniformierte dieser - in Russland verbotenen und als terroristisch eingestuften - Legion zu sehen. "Es ist an der Zeit, der Diktatur des Kremls ein Ende zu setzen", heißt es da. Und: "Russland wird frei sein."

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Informationssperre für betroffenes Gebiet

Die zweite Gruppierung, das als rechtsextrem geltende "Russische Freiwilligenkorps", machte bereits vor einigen Monaten Schlagzeilen - gegründet von einem russischen Neonazi, der in Moskau geboren wurde, in Köln aufwuchs und nun in der Ukraine gegen Russland kämpfen soll.

Mitglieder des "Russischen Freiwilligenkorps" überfielen Anfang März einen Grenzort im Gebiet Brjansk, gut 300 Kilometer nördlich von Belgorod, dabei starben zwei Zivilisten. Präsident Wladimir Putin warf seinerzeit der Ukraine einen Terrorakt vor, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer Provokation. Es gibt bis heute keine offizielle Bestätigung, dass das "Russische Freiwilligenkorps" Teil der ukrainischen Armee ist.

Die aktuelle Lage im Gebiet Belgorod ist derzeit unklar. Als Teil der am Montagabend vom Gouverneur verhängten Antiterror-Maßnahmen gilt eine offizielle Informationssperre. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht - auch nicht die jüngsten Stellungnahmen von russischer Seite.

Moskau: Mehr als 70 "ukrainische Terroristen" getötet

Demnach will die russische Armee eigenen Angaben zufolge die in die Grenzregion Belgorod eingedrungenen Kämpfer zurückgedrängt und "eliminiert" haben.

Die nationalistischen Gruppierungen seien bei einem "Anti-Terror-Einsatz" mit Luftangriffen und Artilleriefeuer "aufgehalten und zerstört" worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Die verbliebenen "Nationalisten" seien "auf das Territorium der Ukraine zurückgedrängt" worden, wo die "zerstörerischen Schläge" der russischen Armee bis zur "vollständigen Vernichtung" der Kämpfer fortgesetzt worden seien. Die russische Armee habe mehr als 70 "ukrainische Terroristen" getötet, hieß es weiter.

Frank Aischmann, ARD Moskau, zzt. Berlin, tagesschau, 23.05.2023 11:58 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 23. Mai 2023 um 12:50 Uhr.