Merkel zu Großbritannien "Brexit ist ein tiefer Einschnitt"
Nach 47 Jahren gemeinsamer europäischer Sache ist um Mitternacht Schluss: Dann tritt Großbritannien aus der EU aus. Bundeskanzlerin Merkel spricht von einem tiefen Einschnitt - und richtet den Blick nach vorn.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht sich zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union weiterhin eine enge Beziehung zu dem Land. "Das ist ein tiefer Einschnitt für uns alle", sagte sie in ihrem Podcast.
Deutschland wolle aber enger Partner und Freund von Großbritannien bleiben, "denn uns einen gemeinsame Werte". Auch nach dem Austritt Großbritanniens soll es in Europa aber weiter vorangehen. "Die 27 Mitgliedsstaaten der EU werden alles daran setzen, Europa weiter erfolgreich zu entwickeln."
Verhandlungen über künftige Beziehungen
Großbritannien will die EU mehr als dreieinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum um 24.00 Uhr (MEZ) verlassen. Das Land war mehr als 47 Jahre lang Mitglied in der Europäischen Union und ihrer Vorgängerorganisationen.
In einer Übergangsphase bis zum Ende des Jahres verhandeln London und Brüssel noch über die weiteren politischen Beziehungen. Es seien intensive Verhandlungen notwendig, sagte Merkel.
"Bundesregierung hat besondere Verantwortung"
"Die Europäische Union geht mit gutem Mut, aber auch mit der Vertretung der eigenen Interessen in diese Verhandlungen", so die Kanzlerin. Viel werde aber auch von Großbritannien abhängen.
Auch der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagte, nun müsse das Bemühen um ein Anschlussabkommen mit Großbritannien im Vordergrund stehen. Die Bundesregierung habe hier eine besondere Verantwortung.
Rückgriff auf Brexit-Notfall-Gesetze möglich
Mit dem Brexit beginnt direkt die elfmonatige Übergangsphase. Sollten in dieser Zeit kein Handelsabkommen und weitere Vereinbarungen zustandekommen, könnte doch noch ein harter Bruch zwischen Großbritannien und der EU drohen.
In diesem Fall wird die Regierung im Jahresverlauf neue Gesetze zur Absicherung eines ungeregelten Brexit in Angriff nehmen. "Sollte sich Ende des Jahres herausstellen, dass in bestimmten Bereichen mangels Einigung in den Verhandlungen wieder eine Notfall-Gesetzgebung erforderlich wird, so könnte eventuell auf Teile der ursprünglichen Brexit-Notfallgesetze zurückgegriffen werden", teilte das Auswärtige Amt mit.
Mahnungen an Großbritannien
Mit dem Brexit beginne auch für die EU ein neues Kapitel, betonte die Vorsitzende der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Sie versicherte gemeinsam mit EU-Ratspräsident Charles Michel und dem Präsidenten des EU-Parlaments, David Sassoli, auch künftig eine dauerhafte, positive und sinnvolle Partnerschaft mit dem Vereinten Königreich halten zu wollen.
Allerdings dürfe Großbritannien nicht darauf hoffen, in Zukunft die gleichen Vorteile zu genießen wie die EU-Mitglieder, sagte von der Leyen. Mit Blick auf die neuen Verhandlungen fügte Ratspräsident Michel hinzu: "Je mehr sich Großbritannien von den europäischen Standards entfernen wird, desto geringer wird sein Zugang zum europäischen Binnenmarkt sein."
Keine Lösungen im Alleingang
Stärke liege nicht in der Isolation, "sondern in unserer einzigartigen Gemeinschaft", zeigten sich von der Leyen, Sassoli und Michel überzeugt. Kein Land könne allein den Klimawandel aufhalten, Lösungen für die Digitalisierung oder Migration finden oder "eine starke Stimme in der immer lauteren Kakophonie der Welt" beweisen.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zeigte sich mit Blick auf das Gezerre der vergangenen Jahre jedenfalls zuversichtlich, dass der Brexit ein Einzelfall bleibt. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Die Gefahr sehe ich gebannt.
Zu den Entwicklungen rund um den Brexit sendet das Erste um 23.40 Uhr eine Extraausgabe der tagesthemen.