Großbritannien nach dem Brexit Holzklasse statt Luxus
Für Großbritannien wird es sich nach dem Brexit also noch eine ganze Weile so anfühlen, als wäre man weiterhin EU-Mitglied - ohne jedoch noch irgendwie mitreden zu dürfen. Das ist konsequent.
Jetzt wird so mancher Brexit-Befürworter auf der Insel ganz tapfer sein müssen. Denn wie hieß doch gleich das Motto der Abnabelungs-Hardliner? "Wir holen uns unser Land zurück!" Doch mit dieser groß angelegten Rückholaktion werden sie noch etwas warten müssen: Zwar verlassen die Briten - daran führt kein Weg vorbei - am 30. März 2019 die EU. Doch es wird sich noch eine ganze Weile so anfühlen, als wären sie weiterhin Mitglied - ohne jedoch noch irgendwie mitbestimmen zu dürfen.
So jedenfalls stellt sich die EU die Übergangsphase vor, die zunächst bis Ende 2020 geplant ist: London zahlt wie bisher, London hält sich an das komplette EU-Regelwerk wie bisher, ja London soll sogar alle neuen Gesetze, die in dieser Zeit in Brüssel erlassen werden, befolgen. Ohne noch bei irgendeinem Ministerrat oder EU-Gipfel mit am Tisch sitzen und die Hand heben zu dürfen. Wobei die Kontinental-Europäer laut Richtlinien-Papier nicht ausschließen, dass man ja Gnade vor Recht ergehen lassen und britische Vertreter von Fall zu Fall zu bestimmten Treffen einladen könnte.
Ohne Einigung droht Handelsstopp
Statt eines "Brexits de Luxe" dürften die Briten also vorerst eine Art Mitgliedschaft Zweiter Klasse bekommen. So haben sich die nun tobenden Hardliner das alles nicht vorgestellt. Womit sich andeutet, dass die EU und die Briten selbst bei diesem bislang nicht sonderlich umstrittenen Thema aneinandergeraten könnten.
Doch am Ende wird das Königreich keine Wahl haben. Es braucht diese Schonfrist, es braucht diese nicht ganz zwei Jahre währende Übergangszeit, um nicht völlig ungeordnet aus der EU zu purzeln. Einigt man sich nämlich nicht, gingen bereits in etwas mehr als einem Jahr die Zollschranken wieder hoch. Der dann deutlich verteuerte Warenverkehr könnte den Handel zum Erliegen bringen, britische Flieger liefen Gefahr, nicht mehr auf dem Festland landen zu dürfen. Mit anderen Worten: Die Folgen wären für die EU zwar ebenfalls verheerend, für die Briten jedoch schlicht nicht zu verkraften.
Schuld ist der Brexit selbst
Auch in Phase zwei der Scheidungsverhandlungen zeigt sich somit, dass die Europäische Union in jeder Hinsicht am längeren Hebel sitzt. Da kann US-Präsident Trump, wie jetzt am Wochenende, noch so viele böse gemeinte Ratschläge geben, dass er im Gegensatz zur britischen Premierministerin selbstverständlich viel härter verhandelt hätte. Doch dass sich die EU und die Insel bei den Austritts-Gesprächen nicht auf Augenhöhe begegnen würden, war von Anfang an klar.
Nur haben die Brexit-Befürworter ihrer Bevölkerung nie ehrlich gesagt, dass der EU-Ausstieg eher eine Verzwergung denn eine Vergrößerung globalen Einflusses bedeuten würde. Sollte sich also im Vereinigten Königreich nun irgendjemand gedemütigt fühlen, so sollte er die Schuld beim Brexit selbst suchen - und nicht bei der vermeintlich zu weichen Verhandlungsführung.
Letztlich aber scheint Scheidungsphase zwei genauso paradox zu beginnen wie Phase eins: Die EU handelt und wartet, die austrittswilligen Briten hadern und zaudern. Weil die zerstrittene May-Mannschaft offenbar noch nicht weiß, wie genau sie sich die Zukunft nach 2020 und einen künftigen Handelsvertrag vorstellt. Doch es wird nun dringend Zeit, dass die britische Regierung die Verhandlungen mit sich selbst abschließt, um rechtzeitig in Verhandlungen mit der EU einzusteigen. Denn sonst bliebe am Ende ja nur eine Verlängerung der so ungeliebten Übergangsphase als Ausweg - und diese Schmach werden sich die stolzen Brexiteers wohl kaum antun wollen.