Mutmaßlicher Terrorist Abdeslam Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Einen Tag nachdem der mutmaßliche Terrorist Abdeslam in Brüssel gefasst worden war, hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Der Vorwurf: Mittäterschaft an terroristischen Morden. Abdeslam will mit den Ermittlern kooperieren, was die Auslieferung nach Frankreich verzögern könnte.
Nur einen Tag nach seiner Festnahme hat die belgische Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Terroristen Salah Abdeslam erhoben. Ihm werden die Mittäterschaft an terroristischen Morden sowie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation zur Last gelegt.
Der 26-Jährige konnte am Freitag bei einem Großeinsatz in der belgischen Hauptstadt Brüssel gefasst werden. Dabei wurde er leicht am Bein verletzt. Nach einer Nacht im Krankenhaus wurde er in ein Gefängnis im Westen Brüssels gebracht.
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hatte den erfolgreichen Zugriff als "Sieg gegen den Terrorismus in Europa" und einen "bedeutenden Schlag gegen die Terrormiliz 'Islamischer Staat'" bezeichnet.
Abdeslam gilt als einer der Hauptverdächtigen, die hinter den Anschlägen in Paris stehen, bei denen im November 130 Menschen getötet wurden. Ermittler gehen davon aus, dass er zu einem der drei Terrorkommandos vom 13. November gehörte. Seine genaue Rolle im Zusammenhang mit den Anschlägen ist bislang aber nicht bekannt.
Weiterer Verdächtiger der Mittäterschaft beschuldigt
Auch gegen einen zweiten Verdächtigen wurden die genannten Anklagepunkte erhoben, hieß es von der Staatsanwaltschaft weiter. Er war gemeinsam mit Abdeslam festgenommen worden. Monir Ahmed Alaaj soll falsche Identitäten benutzt haben. In Deutschland etwa war er den Behörden unter dem Namen Amine Choukri bekannt - diese Daten wurden im vergangenen Oktober in einer Polizeikontrolle in Ulm erfasst.
Insgesamt waren bei dem Großeinsatz im Stadtteil Moolenbeek fünf Verdächtige festgenommen worden. Neben Abdeslam und Choukri fassten die Sicherheitskräfte einen weiteren Mann und zwei Frauen. Dem dritten männlichen Verdächtigen wird ebenfalls vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein und Kriminelle unterstützt zu haben. Eine der Frauen sei wegen Beihilfe zu Verbrechen angeklagt, aber wieder freigelassen worden. Die andere Festgenommene sei ohne Anklage auf freien Fuß gesetzt worden.
Auslieferung erst in mehreren Wochen?
Um Abdeslam schnellstmöglich zur Verantwortung zu ziehen und vor Gericht zu stellen, pocht Frankreich auf seine Auslieferung. Das hatten auch Hinterbliebene der Opfer der Pariser Anschläge gefordert.
Doch die Auslieferung könnte erst in einigen Wochen erfolgen. Zwar gebe es keine politischen Einwände, sagte der belgische Premierminister Charles Michel, doch durch rechtliche Verfahren könne sich das Prozedere etwas hinziehen.
Doch auch die Ermittlungen belgischer Behörden könnten eine Auslieferung verzögern. Der Verteidiger Abdeslams, Sven Mary, gab bekannt, dass der 26-Jährige mit Behörden und Polizei kooperieren wolle und bereits von belgischen Ermittlern befragt worden sei. Eine Auslieferung nach Frankreich lehne der mutmaßliche Terrorist ab.
Die Familie des mutmaßlichen Terroristen zeigte sich erleichtert über dessen Festnahme. Das teilte Nathalie Gallant, die Anwältin von Abdeslams Bruder Mohammed, im belgischen Fernsehen mit. Vor allem habe sich die Hoffnung der Angehörigen erfüllt, dass der 26-Jährige lebend gefasst wird.
Kampf gegen Terrorismus soll weitergehen
In einem Punkt sind sich Belgien und Frankreich aber einig - der Kampf gegen den Terrorismus in Europa ist mit der Festnahme Abdeslams noch lange nicht vorbei. Zwar habe man "mehrere Individuen von extremer Gefährlichkeit und Entschlossenheit" außer Gefecht gesetzt, sagte Frankreichs Innenminister Cazeneuve weiter. Trotzdem bliebe die Gefahr neuer Anschläge "äußerst hoch". Darum beriet am Vormittag der französische Verteidigungsrat über weitere Maßnahmen gegen den Terrorismus.
Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve bezeichnete die Festnahme Abdeslams als einen "Sieg gegen den Terrorismus".
Bereits am Abend nach der Festnahme hatte Frankreichs Präsident François Hollande betont, dass die Ermittlungen zu den Anschlägen längst noch nicht abgeschlossen seien. "Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert", sagte er und forderte, dass all diejenigen, die an den Vorbereitungen der Attentate beteiligt gewesen seien, identifiziert werden müssten.
Nach wie vor zweithöchste Terrorwarnstufe
Auch in Belgien kam einen Tag nach der weiteren Großrazzia der nationale Sicherheitsrat zusammen. Ebenso wie in Frankreich sahen dessen Mitglieder die terroristische Gefahr noch lange nicht als gebannt an, wie die Nachrichtenagentur Belga berichtete. Darum gelte in Belgien weiterhin die zweithöchste Terrorwarnstufe.
Interpol rief zu verstärkter Wachsamkeit an den Grenzen auf, da Komplizen Abdeslams nun versuchen könnten, aus Europa zu fliehen.