Regierung erleidet symbolträchtige Abstimmungsniederlage Die britischen Euro-Skeptiker rücken zusammen
Der britische Premier Cameron sieht sich einer neuen Front gegenüber. Nicht nur die Europa-Skeptiker der Konservativen haben im Parlament aufbegehrt. Ihnen schloss sich auch die oppositionelle Labour-Partei an. Die krachende Niederlage Camerons vergrößert die Kluft zwischen der Insel und dem Kontinent.
Von Torsten Huhn, NDR-Hörfunkstudio London
Das Ergebnis war ein Erfolg für die EU-Gegner in der konservativen Fraktion, ein taktischer Erfolg für die oppositionelle Labour-Partei und eine Niederlage für Premier David Cameron. Die Mehrheit des britischen Unterhauses verlangt eine Senkung des EU-Haushalts für die kommenden Jahre - Cameron hatte sich für ein Einfrieren eingesetzt. 53 konservative Abgeordnete stimmten gegen ihren Regierungschef. Das Ergebnis hat keinerlei direkte Folgen, es ist nicht bindend.
Trotzdem sprechen Beobachter in London von der schwerwiegendsten Abstimmungsniederlage für Cameron seit der Wahl 2010. So sagt der frühere konservative Minister Michael Portillo, das Ergebnis sei ein Schlag gegen die Autorität des Premierministers und ein Schuss ins Knie der Führung der konservativen Partei. "Für Premier Cameron war es ein sehr schlechter Tag."
Das Lager der EU-Skeptiker wird größer
Dessen Autorität ist angeschlagen. Wie weit hat er seine Partei noch im Griff, fragen die Kommentatoren. Doch wichtig an dem Abstimmungsergebnis ist auch, dass sich die Labour-Partei zum ersten Mal ganz deutlich auf die Seite der EU-Gegner gestellt hat: Michael Portillo hält das jedenfalls "für einen wichtigen Moment in dem aufkommenden Euro-Skeptizismus des ganzen Landes. Die Trennung zwischen den Kontinentaleuropäern und Großbritannien wird immer bedeutsamer." Europas Führer, so Portillo, würden mit Betroffenheit beobachten, dass nicht nur die Konservativen Europa-skeptisch sind, sondern nun auch die Labour Partei so werde.
Noch ist nicht ganz klar, ob Labour-Chef Ed Miliband aus taktischen Erwägungen so gehandelt hat - oder ob die Partei tatsächlich einen Schwenk vornimmt und einen Euro-skeptischen Kurs einschlägt.
Die Beschwichtigungs-Maschinerie läuft
Während Labour heute schweigt, eilen die Minister herbei, um ihren Regierungschef zu stützen. Außenminister William Hague erklärte zu dem Abstimmungsergebnis, selbstverständlich müsse man darauf hören, was das Parlament sagt. Aber, so Hague, "die Abgeordneten auf beiden Seiten wollen die EU-Ausgaben so niedrig halten, wie möglich. Die Meinungsunterschiede liegen nur in der Taktik."
Und auch Finanzminister George Osborne stützte Cameron. Er verkündete, die Regierung und der Premierminister würden bei den Haushalts-Verhandlungen "für die härteste Position kämpfen, die möglich ist. Wir werden das bestmögliche Ergebnis für Großbritannien herausholen, besser als alle Premierminister zuvor es geschafft haben."
So einfach, so schwerwiegend
Die anderen EU-Staaten müssen sich also auf eine harte Haltung der Briten einstellen beim Mehrjährigen Finanzrahmen, um den es in dem aktuellen Haushaltsstreit geht. Cameron hat schon mit einem Veto gedroht, und das wird er sicherlich auch einsetzen, weil er sonst noch mehr Druck von den Euro-Gegnern in seiner Fraktion bekommt. Sein Finanzminister sagt das auch: "Lassen sie mich das klar sagen: Wir werden kein Ergebnis akzeptieren, das nicht gut ist für Großbritannien." So einfach kann Politik sein, wenn man auf der Insel sitzt.
Es ist klar zu sehen: Das Vereinigte Königreich driftet langsam aber sicher immer weiter weg vom Kontinent. Die Briten wollen immer weniger Europa - genau das Gegenteil von dem, was Deutschland, Frankreich und andere EU-Länder anstreben.
Wie der MFR zustande kommt, ist im Vertrag von Lissabon festgelegt. Es handelt sich im Kern um eine Verordnung. Den Vorschlag dafür legt die EU-Kommission vor. Im nächsten Schritt verhandeln die Regierungen der EU-Staaten über einen Kompromiss, sie können die MFR-Verordnung nur einstimmig beschließen. Zuvor muss aber auch das Europaparlament zustimmen. Wegen des drohenden Vetos beeinflussen die Änderungswünsche der Parlamentarier die Beratungen der Regierungen der EU-Staaten. Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, gelten die Obergrenzen des letzten Jahres aus dem vorangegangenen MFR zunächst weiter.