Abberufener Außenminister Chinas Warum das Rätsel um Qin Gang noch nicht gelöst ist
Wochenlang wurde über das Verschwinden des chinesischen Außenministers gerätselt. Gestern wurde Qin Gang seines Amtes enthoben. Aufgetaucht ist er aber immer noch nicht - und die Spekulationen gehen weiter.
Viel gibt das chinesische Staatsfernsehen über die Abberufung von Qin Gang als Außenminister nicht bekannt. Nur, dass Wang Yi sein Nachfolger wird - der derzeitige Außenpolitikchef der alleinherrschenden Kommunistischen Partei, das formell höhere Amt in der Volksrepublik. Der 69-jährige war auch der Vorgänger von Qin Gang als Außenminister. Ob Wang Yi das Amt dauerhaft oder nur vorübergehend ausüben soll, ist unklar. Auch warum Qin Gang sein Amt verloren hat, wurde nicht gesagt.
"Die Tatsache, dass das System so intransparent ist, heißt, dass wir nach wie vor nicht wissen, warum Qin Gang abgesetzt wurde", sagt Mareike Ohlberg. Sie ist China-Expertin beim US-Thinktank German Marshall Fund. "Es kann sein, dass er wegen irgendwelcher Vorwürfe in Gewahrsam genommen wurde. Es ist aber auch schon mal vorgekommen, dass Personen wieder auftauchen und dann in einer anderen Position sind - entweder befördert, abgesetzt oder in einer niedrigeren Position. Wir wissen es einfach nicht", so Ohlberg weiter.
Von der Internetseite des Ministeriums verschwunden
Qin Gang war zuletzt wochenlang verschwunden. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte er vor rund einem Monat, am 25. Juni. Seitdem wurden alle Termine abgesagt, beziehungsweise wurde er von Wang Yi vertreten, seinem Vorgänger und jetzt auch Nachfolger.
Vor zwei Wochen hatte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking gesagt, dass Qin Gang aus gesundheitlichen Gründen nicht zum ASEAN-Außenministertreffen nach Jakarta fahren könne. Diese einmalige Aussage wurde aber auf Nachfrage nicht bestätigt. Gegen eine Abberufung aus Gesundheitsgründen spricht auch, dass Qin Gang nicht mehr auf der Internetseite des Außenministeriums zu finden ist. Alle Einträge mit seinem Namen wurden offenbar gelöscht.
Eine Krankheit, eine Affäre, ein Spion?
Unterdessen wird über die möglichen Gründe seines Verschwindens weiter spekuliert, angeheizt durch Chinas intransparentes politisches System, in dem alle Entscheidungen hinter verschlossenen Türen gefällt werden: Neben Krankheit und Tod kursieren seit Längerem auch Gerüchte um eine Affäre und mögliche Spionagevorwürfe.
Qin Gang ist ein erfahrener Karrierediplomat, der fließend Englisch spricht. Bevor er Außenminister wurde, war er Botschafter in den USA. Bekannt auf der einen Seite für seine harten Worte, auch "Wolfskrieger-Diplomatie" genannt. Aber genauso wie für die sanfteren diplomatischen Töne.
Seinen schnellen Aufstieg hat er Xi Jinping zu verdanken, er galt bisher als ein enger Vertrauter des Staats- und Parteichefs.
Qin Gang galt bislang als enger Vertrauter von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping.
Ein schneller Aufstieg und ein schneller Fall
Ob das politische System durch die Absetzung Qin Gangs Schaden nimmt, sei noch nicht absehbar, sagt China-Expertin Ohlberg: "Wir wissen nicht, wie es sich auf Xi Jinping auswirkt oder auf andere mögliche angenommene Machtkämpfe hinter den Kulissen. Wir haben da extrem wenig Einblick. Wir können lange spekulieren und überlegen. Es könnte dies sein, es könnte das sein. Aber das Hauptproblem ist: Wir wissen es nicht."
Dass Personen des öffentlichen Lebens in China verschwinden, kommt immer wieder vor. Häufig wird ihnen anschließend Korruption vorgeworfen. Auch wenn die Hintergründe der Absetzung Qin Gangs weiterhin unklar sind - klar ist, dass auf seinen schnellen Aufstieg ein schneller Fall folgte. Mit nur rund sieben Monaten im Amt ist er der Außenminister der Volksrepublik mit der kürzesten Amtszeit.