Corona-Notstandsgesetz Ungarn droht EU-Verfahren
Wegen des in der Corona-Krise beschlossenen Notstandsgesetzes droht EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Ungarn mit einem Vertragsverletzungsverfahren.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Ungarn wegen dessen umstrittenen Notstandsgesetz mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. "Ich bin bereit zu handeln, wenn die Einschränkungen das erlaubte Maß übersteigen", sagte von der Leyen der "Bild am Sonntag". "Dann drohen Vertragsverletzungsverfahren."
Grundsätzlich sei es in Ordnung, wenn EU-Mitgliedstaaten mit Notfallmaßnahmen auf die Krise reagierten, sagte von der Leyen. "Aber: Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, zeitlich begrenzt, demokratisch kontrolliert." Die Kommission beobachte das in allen Staaten, "aber bei Ungarn sehen wir aufgrund von kritischen Erfahrungen in der Vergangenheit besonders genau hin".
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich vom ungarischen Parlament umfassende Vollmachten geben lassen, um die Coronavirus-Krise zu bekämpfen. So kann er ohne zeitliche Befristung und gegebenenfalls ohne parlamentarische Kontrolle auf dem Verordnungsweg regieren. Das Notstandsgesetz hatte im In- und Ausland Kritik und Besorgnis ausgelöst.
Von der Leyen hatte schon Anfang des Monats gesagt, sie sei "insbesondere über die Situation in Ungarn besorgt", und erklärt: Falls nötig, werde die EU-Kommission handeln. Die Kommission werde es prüfen.
Barley verlangt ebenfalls Maßnahmen
Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley fordert Härte gegen EU-Staaten wie Ungarn und Polen wegen deren Vorgehen in der Corona-Krise. "Derzeit ist die Versuchung für Regierungen in manchen Ländern der EU groß, sich unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung unbegrenzte Machtbefugnisse zu verschaffen", sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
In Polen hält die Regierung ungeachtet der Corona-Pandemie an der Präsidentschaftswahl im Mai fest. In diesem Zusammenhang wurde das Wahlgesetz geändert, um eine reine Briefwahl abzuhalten.
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Barley, äußerte Kritik am Vorgehen Ungarns und Polens.
Maas: Deutscher EU-Vorsitz mit Corona-Schwerpunkt
Außenminister Heiko Maas erklärte in einem Gastbeitrag für die "Welt", er wolle die Bewältigung der Coronavirus-Pandemie zum Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte machen. "Wir werden sie zu einer 'Corona-Präsidentschaft' machen, um Corona und seine Folgen zu überwinden.
Konkret gelte es Lehren aus der Krise zu ziehen. Beispiele dafür seien eine Verbesserung des europäischen Katastrophenschutzes und der gemeinsamen Beschaffung und Produktion von lebenswichtigen Medizingütern.
Zugleich müssten Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit unter dem Deckmantel der Pandemie rückgängig gemacht werden, schrieb Maas weiter. "Wir müssen die Fehlentwicklungen korrigieren, die diese Krise schonungslos offengelegt hat."
Europa soll "wiederbelebt" werden
Der EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre müsse zu einem "Wiederbelebungsprogramm für Europa" werden. Konkret nannte er Investitionen in Forschung, Klimaschutz, technologische Souveränität und krisenfeste Gesundheits- und Sozialsysteme. Ziel sei es, dass Europa stärker, solidarischer und souveräner aus der Krise herauskomme, als es hineingegangen sei.