Kuleba beim EU-Außenministertreffen "Die Sanktionen werden unterlaufen"
Der Ukraine-Krieg bestimmte nach dem Verteidigungs- auch das Außenministertreffen der EU. Der ukrainische Ressortchef Kuleba wies Kritik an der Gegenoffensive zurück - und forderte eine schärfere Sanktionskontrolle.
Es ist fast schon Routine, dass der ukrainische Außenminister mit dabei ist, wenn Europas Außenminister in vertraulicher Runde tagen. In Toledo war das nicht anders, Dmytro Kuleba war extra aus Kiew angereist, um den Europäern die militärische Lage zu schildern. Heftig reagierte der Minister aus der Ukraine auf Kritik an der Kriegsführung seines Landes, Kritik am langsamen Tempo der Gegenoffensive.
Das bedeute, so Kuleba, "den ukrainischen Soldaten ins Gesicht zu spucken." Kuleba empfahl Kritikern, "den Mund zu halten" und in die Ukraine zu kommen. Sie sollten dann dort versuchen, "selbst einen Quadratzentimeter zu befreien".
Die Kritik bezog sich allerdings nicht auf Anwesende im Raum. Sie war auf die andere Seite des Atlantiks gerichtet. Gegen die "New York Times" - die hatte zuvor über Fehler der ukrainischen Strategie berichtet. Direkt an die Europäer ging dann eine zweite Botschaft des Ukrainers: Man sollte Russland nicht auch noch bei der Produktion von Raketen und Drohnen unterstützen.
Finanzierung von Militärhilfen vorherrschendes Thema
"Wir sehen", fuhr Kuleba fort, "dass die Produktion steigt und dass dabei westliche Teile eingebaut werden. Mit anderen Worten: Die Sanktionen werden unterlaufen." Mit Blick auf weitere Waffenlieferungen forderte Kuleba die Bundesregierung erneut auf, auch "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern. In Berlin wird das noch geprüft.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ging in Toledo nicht auf die ukrainische Forderung ein. Ohnehin waren neue Waffenlieferungen gar nicht das vorherrschende Thema - sondern die Frage, wie die Militärhilfe in Zukunft finanziert werden soll.
Mit festen Beiträgen von fünf Milliarden Euro pro Jahr bis 2027 - so der Vorschlag von EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Baerbock betonte, sie halte die Idee nicht nur für richtig, sondern habe sie sogar mitentwickelt. "Wir investieren hier in den Frieden Europas. Und was würde es kosten, wenn wir das heute nicht tätigen?"
"Ein komplexes Unterfangen"
Deutschland müsste nach dem üblichen Verteilungsschlüssel in der EU ein Viertel der Gesamtsumme zahlen, also etwa 1,25 Milliarden Euro jährlich. Aber wie würde diese Summe mit den nationalen Waffenlieferungen verrechnet? Die Frage ist offen, aber wichtig. Denn Deutschland ist das Land in der EU, das bisher die meisten Waffen an die Ukraine geliefert hat.
"Ein komplexes Unterfangen", so Baerbock. Sie unterstreiche, "dass wir die Ukraine jeden Tag weiter in den nächsten Jahren - so lange sie uns braucht - unterstützen". Deshalb müsse "dieses System auch so aufgebaut werden, dass es, von seinen Instrumenten und von seiner Systematik, gut funktioniert."
Einigkeit zu Gabun und Niger
Große Einigkeit unter den Außenministern herrschte bei der Bewertung der Ereignisse in Afrika. Der Militärputsch in Gabun wird verurteilt - allerdings zurückhaltend, denn der Machthaber, der da weggeputscht wurde, gilt selbst nicht nur den Europäern als korrupt und autoritär. Ganz anders die Einschätzung beim Militärputsch im Niger. Da übt man Solidarität mit der vor gut einem Monat gestürzten Regierung.
Es war eine demokratisch gewählte Regierung, die eng mit der EU zusammenarbeitete, auch bei Reformauflagen. Außenministerin Baerbock zog den Vergleich zur Solidariät, die die EU bei den Ländern das globalen Südens für die Ukraine und gegen Russland eingefordert habe. In dem Moment, in dem man andere Länder in dieser Welt um Unterstützung gebeten habe "für den Frieden in Europa, für das Eintreten für das internationale Recht", müsse es heißen: "Nicht wegschauen!" Man müsse da sein, wenn man gebraucht werde.
Konkret soll sich die Solidarität der Europäer so äußern, dass sie Sanktionen gegen die Militärs verhängen wollen, die im Niger die Macht an sich gerissen haben. Im Gespräch sind Kontensperrungen und Einreiseverbote. Die finanzielle Unterstützung für den Niger wurde größtenteils schon vor Wochen eingefroren.