EU-Gelder für Entwicklungsländer "Müssen uns der Verantwortung stellen"
Die EU will Entwicklungsländern im Kampf gegen das Coronavirus mit mehr als 15 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Es gibt gleichzeitig bereits Stimmen, die eine deutliche Aufstockung dieses Etats fordern.
Während die Finanzminister der EU um Corona-Hilfen für die Mitgliedsstaaten ringen, hat die EU-Kommission auch die Entwicklungsländer im Blick. Schließlich sei die Corona-Pandemie nur global zu besiegen - oder gar nicht, betonte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einer Videokonferenz der EU-Entwicklungsminister.
Es ist die zerstörerischste Krise, die wir seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben. Sie wird verheerende Folgen haben, vor allem in den ärmsten Ländern, wo es kaum Ärzte gibt, wo es an Schutzausrüstung fehlt. Die Lage wird dort dramatisch, wo ganze Familien keinen Zugang zu Trinkwasser haben. Wenn Menschen in diesen Ländern wegen der Ausgangssperren ihre Arbeit verlieren, fehlt schnell das Geld für Nahrungsmittel.
Über 15 Milliarden Euro an Corona-Hilfen will die Kommission bereitstellen, für besonders schwer betroffene Staaten in Afrika, im Mittelmeerraum, aber auch in Asien, im Pazifik, in Lateinamerika und in der Karibik.
Umwidmung von Geldern
Eine halbe Milliarde Euro soll kurzfristige Nothilfe finanzieren, weitere knapp drei Milliarden Euro sind für Forschung, Gesundheit und Trinkwasserprojekte in Entwicklungsländern vorgesehen, rund zwölf Milliarden Euro sollen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abfedern. Das Geld soll in Form von Zuschüssen, Darlehen und Garantien fließen. Auch Budgethilfe ist geplant, also direkte Unterstützung für Staatshaushalte.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell räumte ein, die 15,6 Milliarden Euro seien kein frisches Geld. Es handele sich hauptsächlich um ohnehin für die Entwicklungshilfe vorgemerkte Mittel. Diese würden nun für den Kampf gegen das Virus und seine Folgen umgewidmet.
Streit um Summe
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) reicht das nicht. Nach der Video-Ratssitzung mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen forderte er in einer Telefonschalte:
Es ist zusätzliches Geld notwendig. Es wird nicht funktionieren, nur von einem Titel auf den anderen umzufinanzieren.
Müller verwies auf schwache Gesundheitssysteme in armen Staaten: Im westafrikanischen Mali etwa gebe es nur vier Beatmungsgeräte. Der deutsche Minister warnte vor den weitreichenden Folgen der Krise in Entwicklungsländern und nannte Hunger, Arbeitslosigkeit, Terror und die Gefahr des Zusammenbruchs von Staatlichkeit sowie Flucht und Vertreibung. Wegen Corona komme es bereits jetzt zu Unruhen in einigen afrikanischen Ländern.
Müller: Corona-Marshall-Plan muss erweitert werden
Mit Blick auf die astronomischen Hilfsprogramme für die EU-Länder, so Müller, müsse die EU-Kommission den anvisierten Corona-Marschallplan um eine Komponente besonders für Afrika erweitern. Es gehe schließlich um eine globale Notlage.
Wir müssen uns der Verantwortung stellen und auch die Schwächsten und die Ärmsten unter einen Schutzschirm zu stellen und Solidarität zu leisten.
Außerdem forderte der Entwicklungsminister, so schnell wie möglich das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos zu schließen. Müller sprach von einem Schandfleck für Europa. In dem Camp, ursprünglich nur für 3000 Personen ausgelegt, lebten rund 20.000 Geflüchtete unter schlimmsten Bedingungen, so Müller, darunter seien die Hälfte Kinder:
Deshalb ist klar, dass es jetzt nicht damit getan ist, dass man jetzt 50, hundert oder tausend Kinder herausholt. Aber wir diskutieren jetzt lange genug. Bricht morgen das Virus in diesem Camp aus, wird das Hunderte von Toten fordern. Diese Katastrophe muss verhindert werden.
Das Bundeskabinett hatte zuvor beschlossen, 50 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus Moria nach Deutschland zu bringen. Luxemburg will zwölf unbegleitete Minderjährige aufnehmen. Insgesamt hatten sich acht der 27 EU-Staaten zur Aufnahme von Kindern bereit erklärt - was sich wegen der Corona-Krise verzögert.