Der Ausschnitt der Internetseite eines Online-Shops auf einem Computer-Bildschirm.

EU stellt Pläne vor Digitale Aufholjagd auf 16 Seiten

Stand: 06.05.2015 13:06 Uhr

Es ist eines der Großprojekte der EU-Kommission: Ein "Digitaler Binnenmarkt" soll dafür sorgen, dass Europa im Internet-Zeitalter nicht den Anschluss verliert. Digitalkommissar Oettinger hat die Strategie vorgestellt - aber er ist nicht allein.

"Wir müssen mit der Aufholjagd beginnen", mahnt Günther Oettinger - der Mann, der in der EU-Kommission das Feld "Digitale Wirtschaft" beackert. Ein Feld, das sich weltweit rasant entwickelt.

Sechs Monate ist der Schwabe nun im Amt und er hat sich vorgenommen, zu Google, Facebook & Co. aufzuschließen. Dazu gehört für ihn der europaweite Ausbau des Breitbandnetzes, aber auch neue Techniken der sogenannten "Industrie 4.0", wie etwa der Aufbau moderner Cloud-Speicherdienste außerhalb der USA.

Das anfangs oft gehörte Vorurteil, Oettinger sei mit seinem Aufgabengebiet überfordert, ist inzwischen weitgehend verstummt. "Ich bin zwar kein 'Digital Native', aber wir werden hier mit einem starken Team die Rückstände aufholen, die Europa gegenüber den USA und Asien hat", zeigt sich Oettinger überzeugt.

Als Blaupause des Erfolges soll ein 16-seitiges Strategiepapier dienen, das Oettinger zusammen mit Kommissionsvize Andrus Ansip verfasst hat. Für den früheren Ministerpräsidenten von Estland ist das Internet - anders als für seinen deutschen Kollegen - kein Neuland. Im Gegenteil: In den vergangenen zehn Jahren hat der Ex-Premier die Digitalisierung seines Landes erfolgreich vorangetrieben. In keinem anderen EU-Mitgliedsstaat nutzen Bürger, Unternehmen und Behörden das World Wide Web so intensiv wie in Estland.

Im wahren Leben seien Zäune und Mauern längst verschwunden, doch im Netz existierten sie nach wie vor, sagt Ansip. Als Beispiele nennt der Este den Onlinehandel, wo es Verbrauchern häufig erschwert oder sogar unmöglich gemacht werde, auf Webseiten ausländischer Anbieter einzukaufen. Nur sieben Prozent der Firmen im Bereich E-Commerce böten ihre Waren und Dienstleistungen derzeit grenzüberschreitend an. Ein echter digitaler Binnenmarkt, so die Hoffnung, könnte Europa einen Wachstumsschub bescheren und Hunderttausende neuer Jobs.

Problem: Geoblocking

Ein weiteres Hindernis, das Ansip aus dem Weg räumen will, ist das sogenannte Geoblocking. Wer schon einmal versucht hat, im Ausland mit dem Tablet-Computer den heimischen Lieblingssender zu schauen, kennt das Problem: Oft bleibt der Bildschirm schwarz, weil das gewünschte Medium "nicht verfügbar" ist. Digital-Kommissar Ansip lehnt Geoblocking "aus tiefstem Herzen" ab, wie er bekennt; weil es altmodisch sei, unfair, und man solche Methoden im 21. Jahrhundert nicht mehr gebrauchen sollte.

Das ist Geoblocking
Geoblocking schränkt je nach Standort des Nutzers den Onlinezugriff ein. Es verhindert derzeit häufig, dass Filme oder Sport in bestimmten Ländern im Internet angeschaut werden können. "Dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar", heißt es dann zum Beispiel bei Youtube. Grund dafür ist oft die komplizierte rechtliche Lage.

Dass sich der ehrgeizige Plan vom grenzenlosen Internet gegen den Widerstand der Wirtschaft verwirklichen lässt, bezweifelt dagegen Julia Reda, netzpolitische Sprecherin der Piratenpartei: "Es geht wohl in erster Linie darum, legal gekaufte Inhalte, auch im Ausland, im Urlaub ansehen zu können. Das wäre so eine Art Roaming für Netflix."

Kritik am Strategiepapier

Aus Sicht der Piratenpolitikerin ist das nicht genug. Reda schätzt, dass viele Inhalte öffentlich-rechtlicher Sender oder auch von Youtube wohl weiter blockiert bleiben werden. Nicht zuletzt, um etwa die Interessen großer Sport-Lizenzgeber zu schützen. Die Freiheit der Nutzer käme wie so oft zu kurz.

Wichtige Aspekte werden in dem Strategiepapier ohnehin nur gestreift: So ist zwar davon die Rede, dass das komplizierte und von Land zu Land sehr unterschiedliche Urheberrecht in der EU modernisiert und vereinheitlicht werden müsse; doch bis das erreicht ist, werden noch Jahre vergehen.

Auch dürften Themen wie Datensicherheit und Datenschutz, gerade vor dem aktuellen Hintergrund der NSA-BND-Affäre, noch lange diskutiert werden. Andrus Ansip jedenfalls macht sich keine Illusionen. Es werde ein "harter Kampf" das Mammutprojekt umzusetzen, so der Kommissionsvize.

Auch die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt rät in Sachen Digitaler Binnenmarkt zur Geduld: "Die Europäische Kommission macht Gesetzesvorschläge, doch die werden nie so angenommen, wie sie vorgelegt worden sind. Das Europäische Parlament hat sein Wörtchen mitzureden."

Holger Romann, H. Romann, BR Brüssel, 06.05.2015 02:03 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 06. Mai 2015 um 06:43 Uhr auf NDR Info.