Fall "Diciotti" Italien wirft EU Heuchelei vor
Italiens Ministerpräsident Conte hat der EU vorgeworfen, weder Solidarität noch Verantwortung zu zeigen. Denn auch ein weiteres Treffen mehrerer EU-Vertreter zum Thema Flüchtlinge blieb ohne Lösung.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hat den EU-Partnern "Heuchelei" vorgeworfen, nachdem sie im Streit über die Übernahme der Flüchtlinge auf dem italienischen Schiff "Diciotti" keine Lösung erzielt haben. Dies werde Auswirkungen auf Italiens Position bei anderen Themen haben, teilte Conte per Facebook mit.
Europa habe weder Solidarität noch Verantwortung gezeigt. Die Lücke zwischen Worten und Taten gleiche manchmal Heuchelei. Italien werde dies berücksichtigen und sich entsprechend verhalten - "in allen Fragen, bei denen wir es mit Europa zu tun haben".
Strukturelle Lösungen für Schiffe im Mittelmeer finden
Bereits am Donnerstag hatte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio mit einem Zahlungsstopp an die EU gedroht, sollte es am Freitag keine Einigung auf eine Übernahme der Flüchtlinge durch die EU-Partner geben. Die Vertreter von zehn EU-Staaten berieten in Brüssel über das Thema Flüchtlinge.
Italien hat der Europäischen Union mit einem Zahlungsstopp gedroht, sollte es keine rasche Einigung auf eine Übernahme der Flüchtlinge auf dem italienischen Schiff "Diciotti" durch die EU-Partner geben. Wenn beim Treffen der Europäischen Kommission nichts zur Verteilung der Migranten von der "Diciotti" herauskommt, dann werde er nicht bereit sein, jedes Jahr 20 Milliarden Euro an die EU zu zahlen, sagte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio in einem auf Facebook verbreiteten Video. Di Maio ist Vorsitzender der populistischen 5-Sterne-Bewegung, die zusammen mit der ausländerfeindlichen und weit rechts stehenden Lega die Regierung bildet.
Diplomaten zufolge fanden sie keine Lösung für die Verteilung der Migranten auf der "Diciotti", weil sie dies anders als Italien nicht für das vordringliche Thema hielten. Sie hätten vielmehr strukturelle Lösungen für die Schiffe im Mittelmeer finden wollen.
Die Bundesregierung hatte die Bereitschaft zur Hilfe bekräftigt. Besonders stark belastete Länder wie Italien dürften nicht im Stich gelassen werden, sagte eine Regierungssprecherin.
Minderjährige durften das Schiff "Diciotti" verlassen, aber rund 150 Menschen sitzen noch an Bord fest.
Rund 150 Menschen sitzen weiter fest
Der Streit entzündete sich an der Verteilung von 177 von der italienischen Küstenwache geretteten Menschen, die seit mehreren Tagen auf dem Küstenwachen-Schiff "Diciotti" festsitzen. Rom sperrt sich dagegen, die Menschen an Land zu lassen. Nachdem die Minderjährigen das Schiff im Hafen der sizilianischen Stadt Catania verlassen durften, sitzen dort noch rund 150 Menschen fest.
Nach Angaben des italienischen Rundfunks ist die Lage an Bord der "Diciotti" so angespannt, dass die Küstenwache Solidaritätsbesuche bei den 150 Migranten an Bord zeitweise aus Sicherheitsgründen untersagte. Berichten zufolge leiden viele an Krätze und mussten tagelang an Deck bei schweren Regenfällen unter Plastikplanen ausharren.