EU-Gipfel zu Corona-Hilfen Merkel schließt Scheitern nicht aus
Der Milliarden-Poker in Brüssel stockt. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron befürchten, dass der Gipfel zu den Corona-Hilfen scheitern könnte. Beide wollen aber alles geben, dass dies nicht geschieht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben ein Scheitern des EU-Gipfels zum Hilfspaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und dem nächsten mehrjährigen Gemeinschaftshaushalt nicht ausgeschlossen.
Merkel machte am Morgen aus ihrer Skepsis keinen Hehl: "Es kann auch sein, dass es heute zu keinem Ergebnis kommt", betonte die Kanzlerin, bevor sie sich mit EU-Ratspräsident Charles Michel zu einem Vorgespräch traf. Zwar gebe es viel guten Willen, aber auch verschiedene Positionen, unterstrich Merkel. Macron und Merkel stellten klar, sie würden für eine Einigung kämpfen. Allerdings werde es keinen Kompromiss auf Kosten "der europäischen Ambitionen" geben.
Die Verhandlungen gestalten sich weiter äußerst schwierig. Eine eigentlich für 12 Uhr angesetzte Sitzung aller 27 Staats- und Regierungschefs wurde verschoben und dürfte nicht vor 16 Uhr beginnen, hieß es von Diplomaten. Die Vorgespräche dauerten an. Es würden weiter in kleinen Runden mögliche Kompromisslinien getestet.
Aus Diplomatenkreisen war in der Nacht bereits der Vorwurf gegen eine Gruppe von Staaten um die Niederlande und Österreich laut geworden, diese würden "fehlenden europäischen Einsatzwillen" an den Tag legen.
Streitpunkt: Corona-Hilfsfonds
Bei dem Gipfel in Brüssel geht es um ein Finanz- und Krisenpaket von gut 1,8 Billionen Euro: ein schuldenfinanziertes Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Corona-Krise im Umfang von 750 Milliarden Euro und den neuen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen im Umfang von mehr als einer Billion Euro.
Streitpunkt in den Verhandlungen ist der Corona-Hilfsfonds. Die "Sparsamen Vier" - Österreich, Dänemark, Schweden, die Niederlande - sowie Finnland lehnen ab, dass der Großteil der Gelder als nicht rückzahlbare Zuschüsse an die am schwersten von der Pandemie getroffenen Länder vor allem im Süden Europas geht. Sie verlangen, diesen Anteil deutlich zu verringern und stattdessen Kredite zu vergeben.
Mit den "Sparsamen Vier"hatten sich noch vor Mitternacht Merkel und Macron getroffen, in der Hoffnung, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Doch Merkel und Macron verließen nach gut einer Stunde heftigen Disputs genervt den Raum und fuhren in ihr Hotel.
Michel mit neuem Vorschlag
Noch nicht zu Ende diskutiert ist der Vorschlag von EU-Ratschefs Michel. Er hält zwar an den 750 Milliarden Euro Hilfsgeldern fest, doch würden nicht 500 Milliarden Euro, sondern nur 450 Milliarden Euro als Zuschuss an EU-Staaten vergeben und dafür 300 Milliarden Euro statt 250 Milliarden als Kredit.
Michels Kompromiss sieht auch vor, einen Mechanismus zur Kontrolle der Auszahlung von Hilfsgeldern einzuführen. Ein oder mehrere Mitgliedstaaten könnten bei Zweifeln oder Unzufriedenheit mit dem Reformstand eines Landes den EU-Ratschef einschalten. Dieser beauftragt dann den Europäischen Rat oder den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister mit einer Prüfung.
"Idee war nicht abgesprochen"
Doch die 50 Milliarden Euro weniger - wie von Michel vorgeschlagen - reichen dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte nicht. Er fordert drastische Kürzungen. Die "Sparsamen Vier" wollen das Fondsvolumen auf unter 400 Milliarden Euro drücken.
Der niederländische Premier stellt sich gegen die Forderung von Macron und Merkel, dass Zuschüsse nicht zurückgezahlt werden müssen. Diese deutsch-französische Idee sei nicht mit den anderen Nettozahlern abgesprochen gewesen. Deswegen könnten Paris und Berlin jetzt auch kein Ja und Amen erwarten, argumentiert Rutte.
Der dritte Gipfeltag sei sicherlich der entscheidende Verhandlungstag, hob Merkel hervor. "Die Größe des Fonds, die Art der Steuerung und auch die Fragen der Rechtsstaatlichkeit sind jetzt gut aufgearbeitet", sagte sie. "Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen." Sie werde sich aber dafür einsetzen, betonte die Kanzlerin.
Mit Informationen von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel