Europas Klimapolitik Zwei Herren werden "gegrillt"
Nach dem Abgang von EU-Kommissionsvize Timmermans sollen künftig der Niederländer Hoekstra und der Slowake Sefcovic einen zentralen Bereich der EU-Politik verantworten. Aber vorher müssen sich beide dem EU-Parlament stellen.
Die Personalie hat es in sich: Wopke Hoekstra und Maros Sefkovic sollen bis zur Europawahl im kommenden Sommer das Jahrhundertvorhaben der EU-Kommission verantworten, nämlich den Green Deal, den nachhaltigen Umbau von Europas Wirtschaft und Gesellschaft. Sein Ziel ist es, mithilfe entsprechender Gesetze Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.
Hoekstra soll die EU als Klimakommissar international vertreten, zum Beispiel beim Weltklimagipfel Ende November in Dubai. Sefcovic übernimmt als geschäftsführender Kommissionsvize die Koordinierung des Green Deal.
Timmermans scheidet aus
Diese Bereiche hat bisher Frans Timmermans betreut. Er ist aus der Kommission ausgeschieden, um bei den niederländischen Parlamentswahlen im November als Spitzenkandidat für das rot-grüne Bündnis anzutreten.
Die Grünen haben seinen Weggang bedauert, sie halten Timmermans für den zentralen Architekten des Green Deal. Die Christdemokraten sehen in Timmermans Abschied aus Brüssel eine Chance: Sie werfen dem niederländischen Sozialdemokraten vor, über seinen Anstrengungen in der Klima- und Umweltpolitik die Belange von Landwirten und Industrie vernachlässigt zu haben.
Unbequeme Fragen im Ausschuss
Bevor Hoekstra und Sefcovic loslegen können, müssen sie sich den Fragen von Abgeordneten des EU-Parlaments in Straßburg stellen – sie werden "gegrillt". Das galt auf jeden Fall für den Niederländer Hoekstra. Er wurde am Abend in der über dreistündigen Anhörung vor dem zuständigen Parlamentsausschuss mit teilweise unbequemen Fragen konfrontiert.
Die Grünen hatten Zweifel geäußert, ob ein Christdemokrat weiter mit Nachdruck an den EU-Klimazielen arbeiten wird - nachdem sich die christdemokratische EVP-Fraktion zuletzt gegen Klima- und Umweltgesetze gesperrt hatte. Am späten Abend äußerten sich die Grünen dann "positiv überrascht", dass Hoekstra sich in der Anhörung klar zu dem Ziel bekannte, die EU-Emissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent zu senken im Vergleich zu 1990.
Auch SPD-Parlamentarier verlangten Erklärungen und Zusagen. Unter anderem erwarteten Abgeordnete vom künftigen Klimakommissar ein klares Bekenntnis zum Ausstieg aus den fossilen Energien. Aus Sicht seiner Kritiker spricht nicht gerade für ihn, dass Hoekstra vor seiner Tätigkeit als Politiker beim Ölmulti Shell und bei der Unternehmensberatung McKinsey tätig war. Hoekstra konnte die Ausschussmitglieder gestern jedenfalls nicht auf Anhieb überzeugen. Die Entscheidung, ob er durchkommt, soll erst am Nachmittag fallen.
Der Zweite hat es leichter
Am Morgen soll Sefcovic vor dem Umweltausschuss erscheinen. Er hat es leichter als Hoekstra. Der Slowake gilt als gesetzt, weil er der Kommission schon angehört und lediglich ein weiteres Aufgabengebiet dazubekommt. Er hat sich als Brüssels Brexit-Unterhändler den Ruf eines effizienten und geschickten Vermittlers erworben.
Abschließend wird das Parlament über die beiden Kandidaten abstimmen. Verhindern kann es sie letztlich nicht.
EVP blockiert Naturschutzgesetze
Aus Sicht der Christdemokraten würden die beiden ein gutes Team abgeben, das nach Timmermans Abgang stärker auf Pragmatismus und Dialogbereitschaft in der Klimapolitik setzt. Die dürfe nicht nur ehrgeizige Ziele vorgeben, sondern müsse die Industrie auch in die Lage versetzen, diese umzusetzen.
EVP-Fraktionschef Manfred Weber warnt seit einem Parteikongress im Mai in München davor, Landwirte übermäßig zu belasten. Dabei dienen ihm wohl die Niederlande als Mahnung: Dort wurde bei Provinzwahlen im März die rechtspopulistische Bauernbürgerbewegung BBB stärkste Kraft. Im EU-Parlament hat die EVP das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur blockiert und sie lehnt die geplante Pestizidverordnung ab.
Und was will die Chefin?
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Hoekstras Erfahrung als früherer Außen- und Finanzminister der Niederlande gelobt. Ihr kommt der Abschied Timmermans, der für manche Konservative ein rotes Tuch war, durchaus gelegen. Denn falls von der Leyen - wovon die meisten ausgehen - für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin kandidiert, braucht sie den Rückhalt ihrer eigenen EVP-Fraktion.
Deren Forderungen übernahm die Kommissionschefin vor drei Wochen praktisch wörtlich in ihrer Rede zur Lage der Union, als sie mit Blick auf das Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz erklärte, die EU brauche mehr Dialog und weniger Polarisierung. Außerdem kündigte von der Leyen an, die Industrie weiter unterstützen und Verfahren vereinfachen zu wollen - alles Anliegen der EVP. Ihr neues Klimateam mit dem Christdemokraten Hoekstra könnte weiter dazu beitragen, der eigenen Fraktion entgegenzukommen.