Vergabe der EU-Spitzenposten Jetzt ist das Parlament am Zug
Nach der Entscheidung des EU-Gipfels über die europäischen Spitzenposten richten sich alle Augen aufs Parlament. Es könnte von der Leyen als Kommissionschefin ablehnen. Zunächst muss es über seinen Präsidenten entscheiden.
Im Europaparlament stößt die Nominierung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf entschiedenen Widerstand. Die Entscheidung des EU-Gipfels sei "zutiefst enttäuschend", erklärte die Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, Iratxe García.
Die Fraktion halte strikt am Prinzip fest, wonach die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien zugleich deren Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sind.
Massive Kritik äußerte auch Jens Geier, der Leiter der SPD-Delegation im Europaparlament. Das Parlament könne "diesem Personaltableau nicht zustimmen". Es sei ein "Armutszeugnis" für den Europäischen Rat, der damit das Spitzenkandidatenprinzip über Bord werfe. Von der Leyen sei keine Spitzenkandidatin gewesen; daher sei sie "als Chefin der Kommission untragbar".
Kritik auch von EVP und Grünen
Auch die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) und die Grünen hatten wiederholt betont, sie wollten am Spitzenkandidatenprinzip festhalten. Es sei unredlich, zuerst den Wählern zu versichern, sie hätten Einfluss auf die Nominierung des Kommissionspräsidenten und dann dieses Versprechen über Bord zu werfen, sagte der deutsche Grüne Sven Giegold.
Die neue EU-Kommission benötigt die Zustimmung des Europaparlaments, damit sie ihr Amt antreten kann. Die Abstimmung darüber ist in der Woche ab dem 15. Juli in Straßburg geplant.
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Morgen früh soll das Europaparlament über seine Nachfolge entscheiden.
Nachfolge von Antonio Tajani
Morgen früh sollen die Europaabgeordneten einen neuen Parlamentspräsidenten wählen. Die Abstimmung über die Nachfolge von Antonio Tajani wird mit Spannung erwartet. Mit ihr entscheidet sich der fünfte Spitzenposten in der EU.
Das Amt des Parlamentspräsidenten wird für zweieinhalb Jahre besetzt, also nur für die Hälfte der Wahlperiode. Er kann danach aber ein zweites Mal gewählt werden und somit die vollen fünf Jahre im Amt sein.
Weber könnte in 2,5 Jahren zum Zug kommen
Sozialdemokraten und Konservative sollen nach Meinung der EU-Staats- und Regierungschefs das Amt in den kommenden fünf Jahren im Wechsel bekleiden. Die erste zweieinhalbjährige Amtszeit solle an die Sozialdemokraten gehen, die zweite an die Europäische Volkspartei EVP, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, wird sich zumindest morgen für die Präsidentschaft nicht bewerben. Dies kündigte der 46-Jährige seiner Fraktion an, wie ein Sprecher mitteilte.
Es wird aber darüber spekuliert, ob Weber sich nach 2,5 Jahren für die zweite Hälfte der Legislaturperiode des Parlamentspräsidenten bewerben könnte. Einen solchen Vorschlag habe Kanzlerin Angela Merkel formuliert, hieß es. Weber äußerte sich zunächst nicht dazu.
Bewerbungen von Grünen und Linkspartei stehen fest
Um den Spitzenposten im Europaparlament haben sich bereits die deutsche Ko-Vorsitzende der Grünen, Ska Keller, und die Spanierin Sira Rego von der Linkspartei beworben.
Die sozialdemokratische Fraktion wollte ihre Entscheidung bis zum späten Abend bekanntgeben.
Zunächst absolute Mehrheit erforderlich
Laut Geschäftsordnung benötigt ein Kandidat in den ersten drei Durchgängen die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen. Erreicht das kein Bewerber, treten im vierten Durchgang die beiden bestplazierten Kandidaten zur Stichwahl an.
Zwischen den Wahlgängen können sich Kandidaten zurückziehen, um die Chancen eines anderen Bewerbers zu erhöhen - und um bestimmte Forderungen ihrer Fraktion durchzusetzen. Morgen ist auch die Wahl der 14 Vizepräsidenten des Parlaments geplant.