Wahl des EU-Parlamentspräsidenten Noch keine Mehrheit in Straßburg
Das Europaparlament hat im ersten Wahlgang noch keine Entscheidung über die Besetzung des Präsidentenamts getroffen. Keiner der vier Kandidaten erhielt die nötige absolute Mehrheit. Der Favorit scheiterte aber nur knapp.
Bei der Wahl eines neuen Präsidenten des Europaparlaments hat im ersten Durchgang keiner der vier Kandidaten die notwendige Mehrheit erzielt. Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli erhielt 325 von 662 gültigen Stimmen. Damit verpasste er knapp die erforderliche absolute Mehrheit von 332 Stimmen. Der Tscheche Jan Zahradil von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer erzielte mit 162 Stimmen das zweitbeste Ergebnis. Die deutsche Grüne Ska Keller erhielt 133 Stimmen, für die Spanierin Sira Rego von der Linksfraktion votierten 42 Abgeordnete.
Die Wahl geht nun mit den gleichen Bewerbern in die zweite Runde. Neue Kandidaten haben sich nicht gemeldet. Kommt auch in der zweiten Runde keine Mehrheit zustande, gibt es einen dritten Durchgang. Wenn auch dieser kein Ergebnis bringt, gibt es eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten. Zwischen den Wahlgängen können sich Kandidaten zurückziehen, um die Chancen eines anderen Bewerbers zu erhöhen - und um bestimmte Forderungen ihrer Fraktion durchzusetzen. Heute ist auch die Wahl der 14 Vizepräsidenten des Parlaments geplant.
Dass ein Sozialist in den ersten zweieinhalb Jahren der Legislaturperiode Parlamentspräsident werden soll, ist Teil einer Absprache der EU-Staats- und Regierungschefs über die künftige Führung der Europäischen Union. Die zweite zweieinhalbjährige Amtszeit soll demnach an die EVP gehen. Deren Fraktionschef Manfred Weber hatte seiner konservativen Parteienfamilie denn auch empfohlen, für einen sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten zu stimmen.
Journalist und Politiker
Zuvor hatten sich die Sozialdemokraten im Parlament auf die Kandidatur des Journalisten und Politikers Sassoli der italienischen Partito Democratico verständigt. Doch obwohl er von den beiden großen Fraktionen des Hauses unterstützt wird, ist er auf Stimmen anderer Parteien angewiesen. EVP und Sozialdemokraten verfügen über keine Mehrheit.
Kritik an Nominierung von der Leyens
Das Europaparlament wird darüber hinaus in der Woche ab dem 15. Juli über die neue EU-Kommission abstimmen. Das Votum wird mit Spannung erwartet, denn die Nominierung von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stößt im Straßburger Parlament auf Widerstand. Die Entscheidung des EU-Gipfels sei "zutiefst enttäuschend", erklärte die Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, Iratxe García.
Die Fraktion halte strikt am Prinzip fest, wonach die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien zugleich deren Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sind.
SPD: Ein "Armutszeugnis"
Massive Kritik äußerte auch Jens Geier, der Leiter der SPD-Delegation im Europaparlament. Das Parlament könne "diesem Personaltableau nicht zustimmen". Es sei ein "Armutszeugnis" für den Europäischen Rat, der damit das Spitzenkandidatenprinzip über Bord werfe. Von der Leyen sei keine Spitzenkandidatin gewesen; daher sei sie "als Chefin der Kommission untragbar".
Auch die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) und die Grünen hatten wiederholt betont, sie wollten am Spitzenkandidatenprinzip festhalten. Es sei unredlich, zuerst den Wählern zu versichern, sie hätten Einfluss auf die Nominierung des Kommissionspräsidenten und dann dieses Versprechen über Bord zu werfen, sagte der deutsche Grüne Sven Giegold.