EU-Erklärung zu Grundrechten Deshalb blockiert Polen
Polen hat die sogenannten Schlussfolgerungen der EU-Grundrechtecharta blockiert. Diplomaten sind empört. Doch das polnische Justizministerium rechtfertigt sich - und macht westlichen EU-Ländern Vorwürfe.
Polen hat als einziges EU-Land die sogenannten Schlussfolgerungen zur EU-Grundrechtecharta blockiert. Die polnische Regierung argumentierte, dass sie eine Diskriminierung von Christen und Juden in die gemeinsame Grundrechte-Erklärung aufnehmen wolle, statt nur allgemein von religiösen Gruppen zu sprechen.
Dafür aber fand Polen keine Mehrheit im Kreise der EU-Justizminister - und entschloss sich, im Alleingang das ganze Dokument zu blockieren. Denn für die sogenannten Schlussfolgerungen der EU-Grundrechtecharta braucht es Einstimmigkeit. EU-Diplomaten sprachen von einem präzedenzlosen Vorgang.
Proteste in Polen gegen die Justizreform: Die EU wirft der Regierung immer wieder vor, gegen EU-Grundwerte zu verstoßen.
Übergriffe auf gläubige Polen?
In einer noch am Abend verbreiteten Erklärung verwies das zuständige polnische Justizministerium auf religiös motivierte Attentate wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt oder die Ermordung eines Priesters in der Normandie. In der Erklärung ist aber auch von Übergriffen auf gläubige Polen im Westen die Rede und von Spott und Hetze, der praktizierende Christen ausgesetzt seien.
Vizejustizminister Lukas Piebiak bedauerte gegenüber polnischen Medien, dass vor allem westeuropäische Staaten nicht bereit gewesen seien, Diskriminierung von Christen auf eine Stufe mit der von Schwulen oder Lesben zu stellen. Menschen würden ermordet, weil sie Christen seien. Ein Dokument, dass das nicht widerspiegle, sei nicht wert, unterzeichnet zu werden, so der Minister.
Ministerium: Polen, gelobtes Land
Im Kommuniqué seines Ministeriums hieß es außerdem, Polen habe sein Veto im Geiste grundlegender Rechte ausgesprochen, die alle seine Bürger gleichermaßen genössen. Die Wahrung bürgerlicher Freiheiten und Rechte habe in Polen eine lange Tradition, betont das Ministerium, die weit über Verordnungen hinausginge: Schon im 16. Jahrhundert sei Polen das gelobte Land für im Westen verfolgte Juden gewesen. Frauen hätte wählen dürfen, lange bevor dies in Frankreich der Fall gewesen sei. Und während in Deutschland Homosexuelle noch bis in die 1960er-Jahre hinein strafrechtlich verfolgt wurden, hätte ihnen das in Polen nicht gedroht.
Vorwürfe des Westens
Tatsächlich werfen derzeit EU-Kommission und einige westliche EU-Staaten der aktuellen polnischen Regierung vor, gegen EU-Grundwerte zu verstoßen, etwa durch den umstrittenen Umbau der Justiz. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften erkennt Polen bislang nicht an.
Allerdings veröffentlichte das Oberverwaltungsgericht in Warschau gestern ein in dieser Frage möglicherweise wegweisenden Urteil: Es verpflichtet eine polnische Behörde, das Kind eines in England lebenden lesbischen Paares auch in Polen anzuerkennen.
Im ostpolnischen Lublin hob zudem ein Berufungsgericht das Verbot einer sogenannten Gleichheitsparade dauf. Der Lubliner Stadtpräsident hatte die sogenannte LGBT-Parade wie auch eine Gegenveranstaltung untersagen wollen und dabei Sicherheitsgründe genannt. Der Lubliner Bürgermeister gehört indes gar nicht zur nationalkonservativen PIS, sondern zur oppositionellen "Bürgerplattform".